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Biosiegel Kraftbier

Das bayerische Reinheitsgebot für Bier gilt auch nach 500 Jahren seiner Inkraftsetzung als weltweite Erfolgsgeschichte. Selbst wenn der Konsum auch in Bayern seit Jahrzehenten rückläufig ist, nimmt die Vielfalt doch zu. Speziell Bio-Biere und in kleinen Serien angefertigte Craft-Biere bereichern die Geschmacksvielfalt der Hopfendolde immer mehr und bieten eine angenehme Alternative zu Industrie-Bieren.

BIER, das wohl bayerischste aller Getränke, gilt als hochstehendes Kulturgut und stammt aus dem alt-mesopotamischen Raum. In seiner Urform fand es seinen Weg über Ägypten nach Europa. Sehr lange gab es keine einheitliche Rezeptur für den Trank. Erst mit dem Aufkommen des geregelten Braubetriebs in den hiesigen Klöstern im Mittelalter wurden die Grundzutaten Wasser, Hopfen, Hefe und Malz zu dem schäumenden Durstlöscher, den wir heute kennen. Dessen Konsum nimmt jedoch ab: Lag der Bierverbrauch in Deutschland in den achtziger Jahren noch bei durchschnittlich 145,9 Litern pro Kopf im Jahr, sank er in den vergangenen 35 Jahren auf rund 105,9 Liter.
Während die Beliebtheit von Wein und anderen Spirituosen zunimmt, haben insbesondere industrielle Großbrauereien zum Niedergang kleinerer und mittlerer Brauereien beigetragen – letztere können im Preis- und Marketing-Kampf nicht ohne weiteres mithalten. Die Rettung sollen nun Bio- und Craft-Biere bringen.

Klassische Sorten mit Bio-Zutaten

Wie auch in anderen Bereichen der Lebensmittelindustrie gibt es erfolgreiche Anbieter, die in insgesamt rückläufigen Märkten durch konsequente Bio-Ausrichtung Wachstum verzeichnen können. Einer der Pioniere ist dabei sicherlich das weithin bekannte Neumarkter Lammsbräu, das bereits seit den 1980er Jahren auf Bio-Zutaten setzt. Auch gibt es Neugründungen in diese Richtung, etwa Kraftbräu, Münchens erste Bio-Brauerei. Beide Brauereien sind derzeit die einzigen, die das neue Bio-Siegel des Freistaats Bayern führen dürfen. Und das hat es in sich: „Das neue bayerische Bio-Siegel steht für Bio-Niveau, das deutlich über den gesetzlichen Standards liegt, für einen lückenlosen Herkunftsnachweis und für ein staatlich geprüftes Kontrollsystem“, erklärt Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner.
Dem Anspruch nach Qualität hat sich auch das Institut für Pflanzenbau und Pflanzen-züchtung mit Arbeitsbereich Hopfen verschrieben; es gehört zur Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und liegt in Hüll bei Wolnzach, im weltweit größten zusammenhängenden Anbaugebiet für den bitteren Haltbarmacher des Bieres. In einer 2011 erschienen Schrift werden dort nicht nur schädlingstolerante Sorten und natürliche Hilfsmittel gegen Schädlinge genannt, sondern auch eine wichtige Zahl: Die Produktionskosten von Bio-Hopfen müssen 50 Prozent höher angesetzt werden, bei gleichzeitig niedrigerem Ertrag.
Weitet man den Blick auf die weiteren Zutaten aus, so wird schnell ersichtlich, dass selbst bei einem vergleichsweise simplen Grundrezept wie dem Reinheitsgebot die echte Bio-Produktion eine teure Angelegenheit ist. Wasser von entsprechend hoher Qualität und Bio-Getreide tragen ihr Scherflein dazu bei, dass die Anforderungen für ein hochwertiges Endprodukt hoch sind – und damit auch der Preis. Eine relativ niedrige Nachfrage in einem nach wie vor von „Geiz ist geil“ getriebenen Konsumentenumfeld ist die logische Konsequenz. Trotz der in ihrer Nische erfolgreichen Brauereien ist Bio-Bier daher bislang eher ein Randphänomen, das sich nur mit entsprechendem Marketing an die Konsumenten bringen lässt.

Neue Wege gehen mit Craft-Bieren

Das trifft auch auf die sogenannte Craft-Bier-Bewegung zu – die es allerdings in Sachen Vermarktung etwas einfacher hat. Denn die aus den USA stammende Idee stößt hier auf breites Interesse. Aktiv sind meist kleine Brauereien, die stark hopfenbetonte und fruchtige Spezialbiere in geringen Mengen produzieren – auf handwerklich traditionelle Weise und hoher Qualität. Doch nicht jedes stark oder minderstark gehopfte Bier ist automatisch ein Craft-Bier. Vielmehr unterscheiden sich Craft-Biere durch ihren einzigartigen Charakter von anderen Bieren am Markt. Die Erlesenheit der Zutaten spielt dabei eine besondere Rolle. Beispielsweise sind im Hopfenanbau bis zu 48 Spritzmittel zugelassen, weswegen nicht allzu viele Sorten in Bio-Qualität vorhanden sind.
Viele kleine Brauereien sehen in der neuen Welle eine Chance sich am Markt zu differenzieren und damit trotz qualitativ hochwertiger Zutaten einen passenden Ertrag zu erzielen. Das Reinheitsgebot wird dabei allerdings manchmal für den ausgesuchten Geschmack geopfert – teilweise auch mit ungewöhnlichen Zutaten wie Salz, Koriander oder Grapefruit-Saft.
Lange Nacht der Biere lädt zum Probieren ein
Weil aber alles was neu ist auch Kritiker auf den Plan ruft, haben sich unter den Brauern unterschiedliche Lager aufgetan. Da Lächeln die Avantgardisten über die Traditionalisten, die wiederum nicht wissen, was an den „Hopfenbomben“ so toll sein soll. Wer sich selbst darüber eine Meinung bilden möchte, findet dazu am 9. Juli in München Gelegenheit. Dort werden sich ein Dutzend bayerische Craft-Bier-Brauereien bei der „Langen Nacht der Biere“ vorstellen. Wer es klassisch mag, dem sei weiterhin der Biergarten mit lokalen Qualitätsprodukten empfohlen – am besten in Bio-Qualität.

Stephan Wild und Stefan Karl