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Kinder

Erziehung zur Nachhaltigkeit

Es gibt schon erstaunliche Statistiken. Eine davon besagt, dass ausgerechnet das Silicon Valley die größte Dichte an Waldorfschulen aufweist. Gerade Eltern, die im Epizentrum der IT-Industrie ihren Lebensunterhalt verdienen, wollen ihren Sprösslingen demnach bewusst eine computerfernere und naturnähere Kindheit bescheren. Eurythmie statt Wii, Gartenbau statt Minecraft – ist das der neue Weg, damit die Kinder von heute mal bessere Erwachsene werden?

Nicht erst seit der PISA Studie finden alternative Kindergarten- und Schulmodelle auch in Deutschland immer mehr Anhänger. Waldkindergärten sprießen wie Pilze aus dem Boden. Montessori- und Waldorfschulen haben oft mehr Bewerber als freie Plätze. Und daneben etablieren sich neue reformpädagogische Anbieter wie zum Beispiel die Freie Schule Glonntal oder die musisch-kreative Aton-Schule in München. Will man die vielfältigen Konzepte auf einen Nenner bringen, ist es vermutlich die Selbstentfaltung von Fantasie und freiem Denken, die sie auf ihre spezifische Weise fördern. Gemeinsam ist ihnen aber auch, dass sie den Auftrag zur Umweltbildung im Rahmen der Agenda 21 meist mehr verinnerlicht haben als staatliche Schulen. Wer allerdings denkt, dass ökologisches und soziales Bewusstsein allein vom Lehrer „eingetrichtert“ werden kann, irrt: Das Elternhaus spielt bei der Vermittlung von nachhaltigen Werten eine ganz entscheidende und prägende Rolle. Was Väter und Mütter im Alltag vorleben, wird für ihre Kinder zur Norm: angefangen bei der gesunden Ernährung über den achtsamen Umgang mit den Ressourcen bis zum bewussten Konsumverhalten. Und ja, auch der eigene, wohl dosierte Umgang mit Tablet oder Smartphone gehört dazu.


Kinder lernen am Vorbild

Die Zeiten, in denen man noch mit erhobenem Zeigefinger und einem ernst vorgetragenen „Das tut man aber nicht!“ beim Nachwuchs Eindruck machen konnte, sind vorbei. Erziehung funktioniert heute vielmehr über das eigene gute Beispiel – besonders dann, wenn es um nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Verhalten im Alltag geht. Per Fahrrad statt Auto zum Kindergarten, im Bioladen oder auf dem Markt einkaufen, auf Plastiktüten verzichten, Müll trennen, Gemüse vom Bauern holen: Das alles sind kleine und oft spannende Schritte, die für ein Kind schnell zum eigenen Weg werden. Natürlich wird es mit vier Jahren noch nicht so recht verstehen, dass man Erdbeeren im Winter nicht kaufen möchte. Mit einem 9-Jährigen ist es aber sehr wohl möglich, über die Herkunft der Lebensmittel zu reden und ihm die Auswirkung von unverhältnismäßig langen Transportwegen zu erklären. Dasselbe gilt auch für die vielen Dinge, die uns wie selbstverständlich umgeben und die mit hohem Rohstoff- und Energieaufwand hergestellt werden müssen. Wer sein Spielzeug einmal mit etwas elterlicher Hilfe repariert, den Fahrradplatten erfolgreich behoben, die kaputte Hose geflickt oder gar ein Elektrogerät repariert hat, lernt auf spielerische Weise, dass jedes Ding einen Wert hat und zum Schlechtbehandeln oder gar Wegwerfen viel zu schade ist.


Ökos leben gesünder

Wurde ein „Öko“ früher als Weltverbesserer belächelt, gehört es inzwischen zum guten Ton, umweltfreundlich und damit zukunftsorientiert zu handeln. Wer Kinder hat, will sie später schließlich nicht die eigenen Umweltsünden ausbaden lassen. Mal abgesehen vom besseren Gewissen sprechen aber auch gesundheitliche Gründe dafür, zu Öko-Eltern zu werden. Denn obwohl es für Kinderausstattung viele Prüfsiegel gibt, sorgen immer wieder Schadstofffunde wie hormonell wirksame Substanzen in Schnuller und Fläschchen, Weichmacher in Spielzeug und Gummistiefeln oder Formaldehyd in Kleidung und Möbeln für Schlagzeilen. Der BUND empfiehlt daher, Produkte mit Weich-PVC oder BPA generell zu meiden, beim Einkauf seiner Nase zu vertrauen und bei Neuanschaffungen auf Qualität und Langlebigkeit zu achten. Das hat meist seinen Preis, doch im Kinderzimmer sollte sowieso ein gesundes „Weniger ist mehr“ gelten. Denn es ist erwiesen, dass eine mit Spielsachen überfrachtete Umgebung die Kreativität eher lähmt statt sie zu beflügeln. Was der Markt (nicht nur) für Öko-Kinder zu bieten hat, fasst www.ecoshopper.de auf einen Blick zusammen. Man muss allerdings nicht alles neu kaufen, damit der Sprössling kind- und umweltgerecht aufwachsen kann. Über www.frents.de beispielsweise kann man Ausstattung oder Spielzeug einfach leihen. Daneben gibt es Tauschbörsen wie www.dietauschboerse.de, www.tauschgnom.de oder – speziell für Kinder und Jugendliche – www.tausch-dich-fit.de, und allerorts werden Secondhand-Märkte veranstaltet, auf denen Gebrauchtes für wenig Geld neue Besitzer findet.


Natur statt Smartphone

Auch für kostspielige Freizeitbeschäftigungen gibt es eine günstigere, pädagogisch wertvolle und garantiert abwechslungsreiche Alternative: raus ins Grüne! Ärzte beklagen ohnehin, dass in der digitalen Welt die Bewegung der Kinder viel zu kurz kommt. Besser als Maus-Arm, Nintendo-Daumen oder Smartphone-Nacken ist eine Schramme am Knie oder eine Beule am Kopf, wenn es draußen mal wieder wild hergeht. Der Verein Ökoprojekt MobilSpiel in München lädt regelmäßig zu Jahreszeiten- und Sternenwanderungen ein und zeigt Familien dabei, wie sie ihre Freizeit in der Natur spannend gestalten können. Die naturindianer-kids, zu denen mittlerweile auch zwei Naturhorte und ein Naturkindergarten gehören, wurden 2004 von Diplom-Geograf und Erlebnispädagoge Olli Fritsch ins Leben gerufen und haben sich auf besondere Betreuungsangebote wie Feriencamps, Abenteuer-Naturgeburtstage oder Wildnispartys spezialisiert. Über die naturindianer Akademie geben sie ihre Erfahrung auch an interessierte Schulen und Kinderhorte weiter, die ähnliche Inhalte in ihrer Einrichtung aufgreifen wollen. Als „Internetangebot für naturverliebte Kinder und ihre Eltern“ versteht sich die Website www.kleine-naturfreunde.de. Eine zweifache Mutter gibt darin aus eigener Erfahrung Tipps für Bastelarbeiten mit Naturmaterialien, Spiele in der freien Natur und lohnenswerte Ausflugsziele in der Nähe.


Kinder an die Macht

Sind die Kinder etwas größer, können sie ihr Ökobewusstsein auch in organisierten Gruppen ausleben und sich unter Gleichgesinnten engagieren. Sowohl BUND als auch Greenpeace und WWF haben bundesweit Jugendgruppen eingerichtet, die gemeinsam Kampagnen, Projekte und Aktionen durchführen. In zahlreichen Naturlandschaften wie dem Nationalpark Berchtesgaden, dem Nationalpark Bayerischer Wald oder dem Biosphärenreservat Rhön gibt es die Möglichkeit, als Junior Ranger aktiv zu werden. Plant for the Planet veranstaltet regelmäßig Akademien, aus denen „Botschafter für Klimagerechtigkeit“ hervorgehen. Die Klimaschutzorganisation für Kinder hat ihre Wurzeln im bayerischen Uffing und wurde 2007 vom damals 9-jährigen Schüler Felix Finkbeiner gegründet. Inzwischen zählt sie mehr als 100.000 junge Mitglieder und hat in aller Welt über 14 Milliarden Bäume für den CO2 Ausgleich gepflanzt. Für Jugendliche zwischen 16 und 27 Jahren gibt es außerdem das Angebot, im In- oder Ausland ein freiwilliges ökologisches Jahr (FÖJ) zu absolvieren und dort ganz vielfältige Erfahrungen im Umweltschutz zu sammeln.

Claudia Mattuschat

Weiterführende Informationen dazu gibt es auf:
www.oekoprojekt-mobilspiel.de
www.plant-for-the-planet.org
www.greenpeace-jugend.de
www.naturindianer-kids.de
www.bundjugend.de
www.wwf-jugend.de
www.foej.de
www.naju-bayern.de