Wie richtig lüften?
In Zeiten knapper Energieressourcen, der Klimaerwärmung und hoher Energiepreise ist Energie sparen das Gebot der Stunde. Effektiv Energie sparen lässt sich durch weniger lüften sowie Dichtungsmaßnahmen aller Art. Beides ist aber oft weder gut für die Gesundheit, noch für die Bausubstanz. Was also tun?
Richtiges Lüften ist wichtig, um Kohlendioxid (CO2) und Luftfeuchte, aber auch Schadstoffe und Gerüche zu reduzieren. Schadstoffe und Gerüche werden vor allem durch Baustoffe, die Inneneinrichtung, aber auch von Menschen und Tieren (Schweiß, Körperpflegemittel, Parfum, rauchen…) abgegeben.
Zu viel CO2, aber auch andere Schadstoffe in der Raumluft können zu Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel und Konzentrationsschwäche führen. Studien haben zudem ergeben, dass eine Absenkung der mittleren CO2-Konzentration von 1.300 ppm (ppm = parts per million) auf ≤ 900 ppm zu einer signifikanten Steigerung des Wohlbefindens sowie der Leistungsfähigkeit führt.
Das Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN empfiehlt deshalb z.B. für Wohn- und Büroräume, Kindergärten und Schulen eine maximale CO2-Konzentration von 800 ppm (zum Vergleich: CO2-Konzentration der Außenluft im Jahr 1850 ca. 280 ppm, Anfang 2024 = 422 ppm). Hierfür ist entsprechendes Lüften erforderlich, was allerdings auch zu einer Erhöhung des Heizenergieverbrauchs führt. Deshalb sollte vor allem während der Heizsaison nach dem Motto „so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig“ gelüftet werden.
Lüftungssysteme
Neben der heute immer noch häufig anzutreffenden sogenannten Freien Lüftung, zu der vor allem die Querlüftung über Fenster zählt, findet man in Neubauten, aber auch in sanierten Altbauten zunehmend die Ventilatorgestützte Lüftung. Dabei kann es sich um reine Abluftsysteme handeln (z.B. Abluftventilator im WC/Bad mit Zuluftöffnungen in den Fensterrahmen oder Außenwänden), aber auch um Einzelraumlüfter oder komplexere Lüftungsanlagen mit oder ohne Wärme- und/oder Feuchterückführung.
Fensterlüftung
Obwohl diese Art der Lüftung wohl alle Leser*innen kennen, sind folgende Punkte oft nicht oder kaum bekannt (vergleiche Abbildung xx):
- Dauerlüften über gekippte Fenster ist oft die Ursache von Schimmelbildung v.a. im Fensterlaibungsbereich oder auch für Algenbildung an den Außenwänden über den Fenstern
- Dauerlüften über gekippte Fenster reicht bei höheren Fenstern meist für einen ausreichenden Luftwechsel nicht aus
- Kurzes Querlüften bei ganz geöffneten Fenstern ist meist deutlich effektiver als lang anhaltendes Lüften über gekippte Fenster
- Angeboten werden auch kleine elektrische Fensterkippmotoren, die mit Taster, Fernbedienung, einer Zeitschaltuhr oder im Idealfall in Kombination mit einem CO2-Messgerät bedient werden können.
Einzelraumlüfter
Manuell ausreichend zu lüften, ist oft schwieriger als gedacht. Theoretisch müsste man häufig etwa alle halbe Stunde querlüften. Abhilfe können sog. Einzelraumlüfter bringen, die es in allen möglichen Bauformen gibt und auch gut mit vertretbarem Aufwand nachgerüstet werden können. Vor allem in Schlafzimmern sollte vorher geprüft werden, ob das nicht gänzlich vermeidbare Lüftungsgeräusch akzeptabel ist. Auf der anderen Seite sind alle Lüftungsanlagen auch ein Segen, wenn man z.B. an einer lauten Straße wohnt oder beispielsweise Nachbarn häufig Lärm machen.
Zentrale Lüftungsanlage
Der Königsweg, aber auch der aufwändigste und teuerste Weg sind zentrale Lüftungsanlagen mit oder ohne Wärmerückführung. Bis knapp über 90 % der Raumwärme kann so zurückgewonnen werden. Bei Anlagen mit Feuchterückführung kann die relative Raumluftfeuchte um etwa 10 % angehoben werden, also z.B. von 30 % rel. Luftfeuchte auf 40 %.
Gut zu wissen
Das richtige Lüftungsverhalten kann am besten mit einem einfachen CO2-Messgerät (ca. 150 €) in Kombination mit einem Hygrometer, also Luftfeuchtemessgerät (ca. 50 €) oder einem Raumluftqualitätssensor (der zudem auch die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit erfasst), überwacht werden.
Das Vorhandensein einer Lüftungsanlage bedeutet keinesfalls, dass man nicht mehr über die Fenster lüften kann oder soll. Selbstverständlich kann man dies weiterhin tun. Um Energie zu sparen, sollte während dieser Zeit die Lüftungsanlage aber ausgeschaltet werden; mehr Komfort bieten Kontakte an den Fenstern, die bei Öffnen der Fenster automatisch die Lüftungsanlagen und ggf. auch die Heizung abschalten.
Wenn es draußen im Sommer heiß ist, sollte man Lüftungsanlagen v.a. in den Mittagsstunden per Hand oder automatisiert abschalten, um keine heiße Luft nach innen zu führen. Wenn Niemand da ist (z.B. während der Arbeitszeit, nachts, im Urlaub) sollte man sie auf der kleinsten Stufe laufen lassen, um auf der einen Seite Raumluftfeuchte abzuführen und auf der anderen Seite Energie (den benötigten Strom) zu sparen.
Allen Lüftungsanlagen gemein ist, dass die Lüftungsfilter regelmäßig ausgetauscht werden müssen, je nach Laufzeit, Staub- und Pollenanfall in der Umgebung etwa alle 6 bis 12 Monate. Vor allem für Allergiker ein Segen ist das geringere Feinstaub- und Pollenaufkommen in der Raumluft.
Während vor rund 20 Jahren Lüftungsanlagen oft noch Kinderkrankheiten hatten und sie so mancher Nutzer dauerhaft ausgeschaltet oder gar wieder ausgebaut hat, sind mittlerweile die allermeisten Nutzer sehr zufrieden.
Wie so oft, ist es für komplexe Themen – und beim richtigen Lüften geht es um nicht weniger als die Optimierung des Zusammenspiels von Gesundheit, Raumklima, Komfort, Baufeuchte, Energieverbrauch, Ausführungs- und Betriebskosten, Schallemissionen u.a. – empfehlenswert, sich fachlich von unabhängigen Fachleuten beraten zu lassen. Infrage kommen z.B. qualifizierte Baubiologische Beratungsstellen IBN und/oder Energieberater*innen.
Winfried Schneider, Architekt und Leiter Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN
www.baubiologie.de