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Wohlfuehlklima

Besonders in Ballungsräumen wie Hamburg, München oder Berlin müssen Wohnungs- und Hauskäufer tiefer denn je in ihre Taschen greifen. Doch egal, ob eine Wohngegend teuer ist oder nicht – auf die Frage, ob sich der Erwerb lohnt, reicht der Blick auf Preise alleine nicht aus: Kaufinteressenten sollten nicht nur den Stand der Gebäudetechnik prüfen, sondern auch gesundheitliche, nachhaltige und gestalterische Kriterien beachten – die frühzeitige Inanspruchnahme eines Baubiologen in der Planungsphase verhindert oftmals Schlimmeres.

Für Sandra und Max sowie ihre Kinder Anna und Tom war es ein Glücksfall und Kraftakt zugleich, als sie an einem sonnigen Samstagnachmittag ein leerstehendes Reihenendhaus am südlichen Stadtrand von München besichtigten und zwei Wochen später den Kaufzuschlag bekamen. Das Anwesen war zwar nicht günstig und schon ein wenig in die Jahre gekommen, doch das Grundstück grenzte direkt an Wiesen und Felder – ideal für Familien mit Kindern. Wer kann da schon widerstehen?

Bei den anstehenden Sanierungsarbeiten wollte insbesondere Sandra von Anfang an einen Baubiologen in die Planungen miteinbeziehen und so sicherstellen, dass ihre Investition auch in den kommenden 30 Jahren Bestand hat. Mehr als Max war sie sich bewusst, dass Baufehler – ob schon vorhanden oder im Rahmen anstehender Umbauten – mittel- und langfristig zu erhöhten Kosten führen würden. Gleichzeitig galt es gesundheitliche Risiken durch Wohngifte auszuschließen.

Der Teufel steckt im Detail

Auf Sandras Betreiben hin untersuchte ein Experte das Haus auf Schimmel-, Pilz- und Bakterienbelastung; zudem überprüfte er, ob gesundheitsschädliche Ausdünstungen aus Klebern, Farben oder Holzschutzmitteln vorhanden sind. Neben nieder- und hochfrequentem Elektrosmog wurde außerdem nach aus dem Untergrund ins Gebäude dringendes Radongas sowie radioaktive Baustoffe gesucht. Auch Lärmschutz, Raumklima und Lichtverhältnisse sowie Energieverbrauch bzw. Isolierung gegen Wärmeverluste waren Prüfpunkte, die das Paar mit externen Spezialisten unter die Lupe nahm.
„Mängel dieser Art sollten im Rahmen eines umfassenden Sanierungskonzepts eingebunden und fachmännisch behoben werden“, erklärt Winfried Schneider, Schreiner, Architekt und Geschäftsführer des Instituts für Baubiologie + Nachhaltigkeit (IBN) in Rosenheim. „Ein Gebäudesystem ist sensibel und muss fein abgestimmt sein, damit es funktioniert: Statik, Materialeigenschaften, Wärmedämmung, Luftfeuchtigkeit und Haustechnik müssen zusammenpassen, damit sich Folgeschäden und Wohnkrankheiten vermeiden lassen.“
Oftmals lässt sich z.B. nach dem Einbau einer neuen Heizung oder neuer Fenster beobachten, dass sich in den Wohnräumen Schimmel bildet, weil Abdichtungen ohne kontrollierte Lüftung den nötigen Austausch der Raumluft verhindern . Mittels eines Grund- oder Kachelofens, wahlweise auch mit einer Wandheizung, entsteht Strahlungswärme, die sich günstig auf ein angenehmes Raumklima auswirkt.
Auch die Inhaltsstoffe von Innenfarben können als Nährboden für schädliche Mikroorganismen dienen, die das Immunsystem der Bewohner schleichend angreifen können. Um dies zu verhindern, enthalten viele Farben Konservierungsmittel z.B. aus der Gruppe der schädlichen Isothiazolinone. Diese können bei empfindlichen Menschen zu Hautekzemen führen. Besondere Vorsicht ist beispielsweise auch bei formaldehydhaltigen Farben geboten, weil diese das Risiko von chronischen Schleimhaut- und Lungenerkrankungen bis hin zu Krebs bergen.
Beim Erneuern älterer Gebäude empfiehlt Winfried Schneider die Nutzung von ursprünglichen Materialien, wie beispielsweise Kalkfarben, Lehmprodukten oder Holz. Falls diese von später hinzugebauten „modernen“ Baustoffen wie Kunststoffdämmungen oder Kunstharzanstrichen verdeckt sind, sollten sie unbedingt freigelegt und erneuert werden.

Durch Ganzheitlichkeit Maßstäbe setzen

„Per Definition ist Baubiologie die Lehre von den ganzheitlichen Beziehungen zwischen den Menschen und ihrer Wohn- und Arbeitswelt. Das Haus bzw. die Wohnung bezeichnen Baubiologen als ‚dritte Haut des Menschen’“, so Schneider. „Damit soll zum Ausdruck kommen, wie eng wir mit unserer Wohnumwelt verflochten sind. Nur bei umfassender, integraler Zusammenführung sowie Anwendung aller Erkenntnisse lässt sich eine gesunde, nachhaltige, schöne und soziale Wohnumwelt schaffen.“
Wie viele Nachhaltigkeitsthemen liegt auch die Baubiologie voll im Trend, auch wenn sich dieses Fachgebiet bereits seit Mitte der 1970er Jahre stetig weiterentwickelt. Das Fach ist offen für Innovationen, Erkenntnisse der Wissenschaft und gesellschaftliche Entwicklungen. Ihre Themenfelder wurden in den „25 Grundregeln der Baubiologie“ zusammengefasst. Von Fragen rund um gesundes Bauen ergeben sich speziell für kleinere Handwerksunternehmen große Chancen, um sich von der industriellen Konkurrenz abzusetzen. Denn noch gilt der Markt als wenig erschlossen, und teilweise verfügen Bauherren über einen nicht zu unterschätzenden Wissensvorsprung.
Auch Sandra und Max haben sich tief in die Materie eingearbeitet. Sie haben Pläne gewälzt, sie haben Materialien getestet. Gemeinsam mit ihrem Baubiologen gelang es ihnen durch diesen Kraftakt, ihren Sanierungsplan ganzheitlich umzusetzen. Damit erfüllten sie sich nicht nur den Wunsch nach einem soliden Eigenheim, sondern sie verwandelten dieses auch in ihr Traumhaus – mit Blick aus einem gesunden Wohnklima auf Wiesen und Felder.

Stephan Wild

Weitere Informationen:

www.baubiologie.de