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Die Erzeugung grüner Energie hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Bei vielen deutschen Verbrauchern steigt weiterhin die Bereitschaft, auf Ökostromangebote umzusteigen. Doch aus welchen Anteilen Grünstrom oder Graustrom Energieversorger ihre Angebote zusammensetzen, erfahren nur die wenigsten Käufer. Ein genauer Blick lohnt sich.

Es sind eigentlich gute Nachrichten: Der Anteil der erneuerbaren Energien kletterte in Deutschland im vergangenen Jahr erstmals auf über 40 Prozent. Großen Anteil nahmen daran vor allem die vielen Sonnenstunden im Sommer, dank derer die Ökostromerzeugung nach Angaben des Fraunhofer Instituts um 4,3 Prozent auf 219 Terrawattstunden stieg. Auch der sonnenverwöhnte- und windreiche Ostermontag hat heuer zu einem Höchstertrag bei der Erzeugung von erneuerbaren Energien geführt.

Das Problem dabei: Im Prinzip beziehen Verbraucher ihren Strom immer aus dem nächstgelegenen Kraftwerk, egal welche Energieerzeugungsquelle genutzt wird. Wer also seinen Strom nicht von der eigenen Solaranlage oder dem Windrad aus nächster Nähe bezieht, kann nicht wissen, ob sein Strom grün oder grau ist.

Die kürzlich erschienene Studie Ökostrom 2025 des HIC Hamburg Institut Consulting GmbH stellt hierzu beispielsweise fest, dass sich der Strom im Netz selbst seinen Weg zum nächstgelegenen Ort der Nachfrage suche. Deswegen erfolge die Weiterleitung von Strom nicht durch die direkte Übergabe einer Ware von einem zum anderen, sondern über einen solchen gemeinsamen Pool oder auch „Stromsee“, in den alle Energieerzeuger einspeisen und aus dem alle Kunden ihren Strom schöpfen. Dementsprechend entsteht beispielsweise die paradoxe Situation, dass Ökostromkäufer zwar den Ausbau grüner Energieträger fördern, aber ihren Strom – je nach geographischer Lage – aus einem Kohlekraftwerk beziehen.

Wie grüner Strom grau wird

Damit die Anteile von grünem und grauem Strom im Pool anhand der Verbraucherwünsche realistisch abgebildet werden, speisen Energieversorger unter Berücksichtigung eines sogenannten Lastprofils den individuellen Strombedarf der Kunden ins Stromnetz ein, während die Verteilung durch den jeweiligen Netzbetreiber vorgenommen wird. Ergo ist am Ende die erzeugte und verkaufte Strommenge aller Anbieter immer so groß wie der Verbrauch, auch wenn der bezogene Strom physikalisch an einem anderen Ort genutzt wird.

Wichtig für die Sicherheit von Ökostromkunden und um Missbrauch einen Riegel vorzuschieben, müssen Versorger für grünen Strom über Herkunftsnachweise (HKN) verfügen. Dadurch soll die Zuordnungsbarkeit erneuerbarer Anlagen garantiert und eine Mehrfachvermarktung von grünem Strom ausgeschlossen werden.

Interessanterweise könnten durch den Verkauf von HKNs Erzeuger dem Kunden „reinen Ökostrom“ anbieten, ihnen macht aber die deutsche Gesetzgebung einen Strich durch die Rechnung. Folglich dürfen Produzenten erneuerbaren Stroms, die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert werden, keine HKNs ausweisen. Vermarktet wird dieser EEG-Strom über die Strombörse, wo er dann zu Graustrom wird.

Grüner Strom stammt meist aus Wasserkraft

Somit stellt sich die Frage, woher der reine Ökostrom kommt, der nach Angabe der oben genannten Studie im Jahr 2017 mit 63 Milliarden kWh rund 15 Prozent der deutschen Stromabgabe ausmachte. Hier greifen die Versorger auf einen Kniff zurück, wonach sie Ökostrom außerhalb des EEGs mit HKNs außerhalb von Deutschland beziehen; meist handelt es sich dabei um Wasserkraftanlagen aus Norwegen oder Österreich.

Wie „schräg“ diese Sachlage ist, fasst die zitierte Studie in etwa wie folgt zusammen: Strom, der bei norwegischen Verbrauchern aus der Steckdose kommt, stammt zwar zu 95 Prozent aus Wasserkraft. Nachdem aber norwegische Stromunternehmen ihre HKNs in der Regel meistbietend verkaufen, weist das Land, das auch Vorreiter für E-Mobilität ist, mittlerweile seine Stromherkunft überwiegend aus fossilen Quellen aus.

Ist der Bezug von Ökostrom sinnvoll oder nicht?

Trotz der beschriebenen Praxis stellt sich für Klimaschützer nicht die Frage, ob Ökostrom für den eigenen Haushalt genutzt wird oder nicht. Viel wichtiger ist, für welchen Ökostromanbieter man sich entscheidet. Das ÖKO-Test Magazin hat mehr als 8000 Öko-Stromtarife verglichen und lediglich 17 Produkte mit sehr gut bewertet. Das Verbraucherportal Utopia.de gibt z.B. an, dass die Minimalanforderung eines gewählten Tarifs das Vorhandensein der Öko-Siegel Grüner Strom Label oder OK Power sein sollte. Ein TÜV-Zertifikat ist nicht ausreichend, da es lediglich das vorhanden sein von HKNs belegt. Wichtig ist auch, dass der Ökostromanbieter einen Teil des Strompreises in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert. Eine Bestenliste mit 17 echten Ökostromanbietern ergänzt die Empfehlung des Portals.

Zudem gelte es, den Anbieter genau anzuschauen und dessen Verhältnis von Grau- und Naturstromangeboten in Bezug zu setzen. Auch sei dessen Energieerzeugungsportfolio – also die Anteile zu erneuerbaren und fossilen/atomaren Quellen – einen prüfenden Blick wert. Denn klar ist: Kohlekraftwerke hierzulande werden nicht durch den Erwerb von HKNs in Skandinavien überflüssig, sondern durch Investitionen in den Ausbau von erneuerbaren Energien vor Ort.

Mehr Informationen:  

www.hamburg-institut.com/index.php/12-news/89-studie-oekostrom-2025/

www.utopia.de/ratgeber/oekostrom-graustrom-gruenstrom/

www.gruenerstromlabel.de/gruener-strom/

www.oekotest.de/bauen-wohnen/Oeko-Strom-im-Test-Das-sind-die-besten-Anbieter_111510_1.html

 

Stephan Wild