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Brezen

Regionale Wertschöpfung

Bayerisches Bier ist in aller Welt bekannt. Auch Weißwurst, Leberkäs und Brezen haben es zur Berühmtheit gebracht. Aber wer kennt noch Allgäuer Weißlacker, frische Hopfensprossen oder ahnt, was Ochsengurgeln sind? Tatsächlich hat die Region Bayern viele Spezialitäten, die in Vergessenheit geraten sind. Und wer im Supermarkt den Kühlschrank füllt, wird auch die Erzeugnisse der Bauern aus nächster Nähe kaum mehr kennenlernen.

Um die bäuerlich-handwerkliche Lebensmittelvielfalt Bayerns zu bewahren, haben sich in Neubiberg Menschen aus den unterschiedlichsten Berufen zusammengeschlossen. Was sie verbindet, ist die Liebe zum guten Essen und die wichtige Erkenntnis, dass Landwirtschaft nur dann eine Zukunft hat, wenn man von der Arbeit noch leben kann. Darum sorgt die „Genussgemeinschaft Städter und Bauern“ seit ein paar Jahren ehrenamtlich dafür, das reiche Angebot der Region auf kurzen Wegen zum Verbraucher zu bringen. In diesem Sinne fördert der Verein die Entstehung von lokalen Einkaufsgemeinschaften, die die hochwertigen Erzeugnisse landwirtschaftlicher Betriebe und handwerklicher Produzenten vor Ort abholen und zu fairen Preisen an ihre Mitglieder verteilen. Auf diese Weise leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Erhalt von Bayerns Kulturlandschaften mit ihren fruchtbaren Feldern und üppig grünen Weiden. Die nämlich werden nur weiterbestehen, wenn sich ihre Bewirtschaftung lohnt. Sonst geht das Höfesterben, das in Deutschland ein dramatisches Ausmaß angenommen hat, weiter. Und das geht nicht zuletzt zu Lasten der vielen Menschen, die gerne mehr Produkte – und vor allem mehr Bio – aus Bayern kaufen würden.      

Brückenschlag zum Bauern

Um den Verbraucherwünschen nachzukommen, hat der Freistaat 2012 das Landesprogramm BioRegio 2020 eingeführt. Sein Ziel ist es, den bayerischen Ökolandbau bis zum kommenden Jahr sage und schreibe zu verdoppeln. Das geschieht nicht nur durch ein Mehr an Förderung, Beratung, Bildung und Forschung oder durch gezielte Projekte in 27 Öko-Modellregionen. Sondern es sind auch stärkere Netzwerke zwischen den Gliedern der Wertschöpfungskette – vom Bauern über den Verarbeiter, Händler und Gastronom bis zum Endkunden – geknüpft worden. So weist das Informationsportal regionales-bayern.de den Weg zu Bauern, Hofläden, handwerklichen Verarbeitern und Regionalinitiativen in nächster Nähe. Ähnlich funktioniert www.bio-einkaufsführer-bayern.de, der speziell für regionale Bio-Anbieter entwickelt wurde. Bauern und Gastronomen finden über www.wirt-sucht-bauer.de zueinander und bekommen so die Chance, auf direktem Weg mehr Authentizität und Transparenz in die Küche zu bringen. Zielgruppengerechte Vernetzungen dieser Art sorgen dafür, dass regionale Kreisläufe erhalten bleiben. Gerade in Bayern, wo sich die Landwirtschaft durch viele kleinbäuerliche Betriebe auszeichnet, können sich die Bauern nur durch solche partnerschaftlichen Lieferbeziehungen am Markt behaupten. Die Verbraucher- und Erzeugergenossenschaft Tagwerk trägt diesem Umstand seit langem Rechnung, indem sie die Produkte von Erzeugern und Verarbeitern aus der Region Erding, Freising und Dorfen bündelt und über den Großhandel, die eigenen Tagwerk-Märkte, Wochenmärkte und Lieferkisten vermarktet.

Bioregional wird erste Wahl

Ökologische Landwirtschaft ist heute oft die einzige Chance, um als Erzeuger angemessen entlohnt zu werden. Noch mehr schätzen die Verbraucher allerdings inzwischen bioregionale Erzeugnisse. Während „Bio“ und „Öko“ rechtlich geschützt sind, gilt das für den Begriff „Regional“ nicht. Um den doppelten Mehrwert zu garantieren, tragen immer mehr Produkte daher das bayerische Bio-Siegel, das 2015 als Qualitätszeichen für regionale Rohstoffe, lückenlose Wertschöpfungsketten und Transparenz eingeführt wurde. Dazu gehören auch die Senfspezialitäten von Münchner Kindl, einer kleinen Manufaktur aus dem Münchner Vorort Fürstenfeldbruck. Sie bezieht ihre Zutaten – allen voran Gelb- und Braunsenf – soweit es geht aus der Umgebung und leistet damit sogar einen Beitrag zur Fruchtbarkeit der Felder. Denn die Pflanze aus der Familie der Kreuzblütler trägt nicht nur aromatisch scharfe Saatkörner. Sondern sie entlastet als Zwischenfrucht die Böden, lockert sie mit ihren tiefen Wurzeln und sorgt damit für ihre Regeneration. Auch das ist ein Beispiel, wie Regionalität an Ort und Stelle Gutes bewirkt. Die Hofpfisterei nutzt ebenfalls das bayerische Bio-Siegel und gehört gleichzeitig zu den Pionieren, die sich für bioregionale Partnerschaften stark gemacht haben. Um ihre Backwaren getreu der Firmenphilosophie zu mindestens 80 Prozent aus bayerischem Bio-Getreide herstellen zu können, hat sie Bauern aus der Region direkt angesprochen und nach und nach zur Umstellung bewegt. Heute sind es fast 600 Landwirte, die für das Naturland Fair zertifizierte Familienunternehmen eine Fläche von mehr als 3.000 Hektar ökologisch und damit ohne chemisch-synthetische Spritz- und Düngemittel bewirtschaften.

Vielfalt „Made in Bavaria“

Keine Chemie auf den Feldern, klimafreundlich kurze Transportwege, Erhalt von regionalen Kreisläufen und Artenvielfalt, maximale Frische und lückenlose Transparenz: Es gibt viele Gründe, warum sich Bio und Regional als Qualitätsmerkmale geradezu perfekt ergänzen. Denn wer ökologische Lebensmittel kauft, will ja in der Regel nicht nur sich selbst etwas Gutes tun, sondern zugleich Klima und Umwelt schützen. Umso besser, wenn dadurch auch noch Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Kaufkraft an Ort und Stelle bleiben. Inspiriert von der neu entflammten Heimatverbundenheit lassen viele Produzenten fast vergessene bayerische Spezialitäten wieder auferstehen. So hat die Antersdorfer Mühle Champagner Roggen und Rottaler Ur-Mais zum Comeback verholfen und sich nach den „regional & fair“ Richtlinien von Biokreis zertifizieren lassen. Damit verbunden ist nicht nur eine faire Preisgestaltung, sondern auch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Erzeugern, die auf den Verpackungen der Ursprungsprodukte persönlich vorgestellt werden. Auch Chiemgaukorn setzt auf alte Getreidesorten und konnte Urdinkel, Emmer, Einkorn und Chiemut erfolgreich als „Bayerischen Reis“ in den Küchen etablieren. Das Hofgut Storzeln wiederum baut am Bodensee nicht nur Hafer, Dinkel und Buchweizen, sondern auch Soja nach den Bioland Richtlinien an. Daraus stellt das Familienunternehmen regionale Pflanzenmilchsorten her, die vegane Alternativen zur Kuhmilch, aber auch zu importierten Produkten bieten.

Top 10 des Bio-Sortiments  

Bayerische Bio-Betriebe, die bayerische Bio-Rohstoffe verarbeiten, treffen den Geschmack heimat- und umweltbewusster Konsumenten. Gleichzeitig feiern sie aber auch im Rahmen eines Wettbewerbs, der seit 2012 jährlich durchgeführt wird, regelmäßig Erfolge. So konnte der LVÖ-Vorsitzende Hubert Heigl im Februar auf der Internationalen Grünen Woche wieder „Bayerns beste Bioprodukte“ küren, die sich nicht nur durch besonderen Geschmack und hohe Qualität auszeichnen. Auch das ökologische und soziale Engagement der Hersteller wird von der fünfköpfigen Jury berücksichtigt. Gold ging in diesem Jahr an „Fränkische Trüffel“ der Nürnberger Genießermanufaktur, Hanf-Kekse von Chiemgaukorn und die Apfelsorte Natyra vom Verbund der Bioobstbauern bayerischer Bodensee. Silber bekamen der Bio-Ziegenbergler der Sellthürner Käskuche, der Isartaler Leberkäs von Pichler Biofleisch und die Biowürze Classic der Feinschnabel Manufaktur. Bronze tragen Krunchy Joy Mohn-Orange von Barnhouse, Rudertinger Bierweckerl der Biobäckerei Wagner und Ziegen-Quittenkäse Goldmarie vom Berghof. Darüber hinaus wurde ein Innovationspreis für Mohnmehl der Friedenfelser Güterverwaltung verliehen.

Diese Top 10 und viele weitere durch und durch bayerische Ursprungsprodukte findet man im Naturkostladen. Andere kann man vom 27. September bis 13. Oktober 2019 auf dem Tag der Regionen entdecken, den der Bundesverband der Regionalbewegung bereits zum 20. Mal veranstaltet. Auf www.tag-der-regionen.de/bayern.html steht das aktuelle Programm mit allen Märkten, Führungen und Veranstaltungen von Amberg über München bis Würzburg.

Claudia Mattuschat