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Frankfurter Soße

Gerade eben waren die Zeitschriften noch voll mit Plätzchenrezepten und Weihnachtsschlemmereien. Schon titeln sie mit erhobenem Zeigefinger, dass die Pfunde wieder purzeln sollen. Besser als der ständige Jojo-Effekt ist es, sich auf das Angebot der Jahreszeiten einzulassen und in ausgewogenem Maße zu genießen, was dem Körper gut tut. Nach dem langen Wintergrau haben Gaumen – und Auge – vor allem Lust auf eins: viel frisches Grün.

 

Dafür muss man gar nicht unbedingt zum Einkaufen gehen. Denn in Wiesen, Gärten und Wäldern sprießen jetzt schon die ersten Wildkräuter. Lange bevor der beliebte Bärlauch für würzige Pestos, Aufstriche oder Salate an feuchten Schattenplätzen parat steht, zeigt sich das Scharbockskraut. Auch unter dem Namen „Frühsalat“ bekannt, steuert es eine frische Portion Vitamin C zur Rohkost oder zum Kräuterquark bei, reinigt das Blut und vertreibt die lästige Frühjahrsmüdigkeit. Zeigen sich die ersten gelben Blüten, sollte man die Ernte jedoch lieber wieder beenden. Denn dann steigt der Gehalt an Anemonin, das in größeren Mengen giftig ist. Haselkätzchen, Linden- und Pappelblüten für Tee. Schlüsselblumen, Gänseblümchen und Huflattichblüten als bunte Zutat im Salat. Brennnessel, Löwenzahn, Gundermann, Giersch und Spitzwegerich für die entschlackende Frühjahrskur: Verwendungsmöglichkeiten für wild wachsende Kräuter gibt es viele – aber leider auch Verwechslungsgefahren. Wer zum Beispiel zu Maiglöckchen statt Bärlauch, zu Schierling statt Wiesenkerbel oder gar zu Fingerhut statt Beinwell greift, kann sich gefährlich vergiften. Um auf Nummer Sicher zu gehen, macht es Sinn, vor dem Sammeln einen Kurs beim Kräuterpädagogen zu besuchen. Allein in Bayern gibt es inzwischen mehr als 500 diplomierte Profis, die ihr profundes Wissen über heimische Wildkräuter und ihre Verwendung in der Küche im Rahmen von Kräuterwanderungen und Vorträgen weitergeben. Tatsächlich wurde der Berufsstand bis 2008 sogar von den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gefördert, um landwirtschaftlichen Betrieben ein Zusatzeinkommen zu ermöglichen und altes Heil- und Kräuterwissen zu bewahren.

Tradition bleibt Tradition

Zu diesem Kräuterwissen gehört auch die Frankfurter Grüne Soße, die in vielen Haushalten traditionell am Gründonnerstag gegessen wird. Sie entwickelte sich angeblich aus Rezepten, die von den alten Römern schon vor rund 2.000 Jahren aus dem Orient mitgebracht wurden. Die italienische Salsa Verde, die spanische Mojo Verde, die französische Sauce Verte oder eben die Grüne Soße: All diese Kreationen sollen der Geschichte nach den gleichen Ursprung haben. Doch bei der Zubereitung hat jeder seine eigene Philosophie, und die wird rund um Frankfurt besonders streng ausgelegt. Demnach hackt man dort für die einzig wahre, echte „Grie Soß“ seit jeher sieben Kräuter – Petersilie, Schnittlauch, Borretsch, Kerbel, Pimpinelle, Sauerampfer und Kresse – die von Gärtnern im Stadtteil Oberrad angebaut werden. Die haben sich als „Verein zum Schutz der Frankfurter Grünen Soße” zusammengeschlossen und nach jahrelangem Kampf tatsächlich erreicht, dass die EU-Kommission der würzigen Spezialität das Gütesiegel „geografisch geschützte Angabe“ verliehen hat. An der Isar mag man das vielleicht weniger eng sehen als am Main. Bei einer Tradition ist man sich aber überregional einig: Zum Osterfest gehören Eier wie der Christbaum zu Weihnachten. Den Brauch, sie leuchtend bunt zu färben und zu verzieren, kannte man schon vor 5.000 Jahren in China. Gilt er dort als Symbol für den Frühlingsbeginn, steht er hier bei uns für die Auferstehung Jesu. Mit Farben aus der Natur kann man dabei wunderbar experimentieren. Rotkohl oder Rote Bete sorgen für ein intensives Blauviolett, Holunder- oder Blaubeeren ergeben Blaugrau, Kamillen- oder Fliederblüten sonniges Gelb, und Brennnesseln, Spinat oder Matetee schöne Grüntöne. Das ist spannender und definitiv gesünder als die Angebote aus dem Chemielabor.

Kunterbuntes Eierlei

Die Kreativität hat allerdings einen kleinen Haken: Meist hat man viel zu viele Eier gefärbt, die dann nach dem Fest auf ihre Verwendung warten. Gründlich hartgekocht und mit intakter Schale halten sie bei Zimmertemperatur etwa zwei und im Kühlschrank sogar vier Wochen. Genügend Zeit also, um daraus eine ganze Reihe leckerer Gerichte zuzubereiten. Da bietet sich – noch einmal – die Frankfurter Grüne Soße an, bei der, neben den obligatorischen Pellkartoffeln, das dekorativ obenauf schwimmende halbierte Ei nicht fehlen darf. Auch der französische Salade Niçoise wäre nur halb so lecker ohne seine Garnitur aus Eiervierteln. Darüber hinaus lassen sich die österlichen Überbleibsel zum schnellen Sandwich- oder Wrap-Inhalt verarbeiten. Ein Klassiker ist die Mischung mit Thunfisch, Crème fraîche und fein gehackten Kräutern. Andere schwören auf Avocado- oder Frischkäse-Aufstriche. Und wieder andere auf phantasievolle Eigenkreationen mit dem, was der Kühlschrank gerade so hergibt. Auch beim Mittag- und Abendessen lassen sich hartgekochte Eier sehr gut „recyceln“: zum Beispiel mit cremiger Senfsoße und Kartoffeln oder als sonntagstauglicher „Falscher Hase“. Der wiederum muss längst nicht nur aus Hackfleisch bestehen. Die vegane Variante, bei der der Fleischteig zum Beispiel durch geschrotetes Getreide, gekochte Hirse, Reis oder Linsen, geraspelte Karotten oder gehackte Nüsse ersetzt wird, ist mindestens ebenso lecker und viel kalorienärmer nach den gehaltvollen Ostertagen. Und apropos gehaltvoll: Hatten Eier früher den schlechten Ruf, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu begünstigen, vertreten Ärzte und Ökotrophologen heute eine andere Sicht. Zwar enthalten sie viel Cholesterin, aber nur wenig gesättigte Fettsäuren – ganz im Gegensatz zu fettreichem Fleisch oder Wurst.

Essen für die Traumfigur

Überhaupt sind sich Sport- und Ernährungswissenschaftler einig: Wenn es ums Schlankbleiben oder -werden geht, spielen eiweißreiche Nahrungsmittel eine ganz zentrale Rolle. Denn Proteine machen nicht nur angenehm satt. Sie sind auch unerlässlich für den Aufbau von Muskeln, die wiederum den Grundumsatz des Körpers und damit auch die Fettverbrennung ankurbeln. Das Ei trägt seinen Nutzen in dieser Hinsicht schon im Namen. Auch fettarme Milchprodukte, mageres Geflügel und Fisch – aber bitte aus nachhaltigem Fang oder ökologischer Aquakultur – sind bekannt als hochwertige Proteinquellen. Vegetarier und Veganer müssen nicht unbedingt zu Ersatzprodukten greifen, um ihren täglichen Bedarf zu decken. Hülsenfrüchte wie Erbsen, Linsen und Bohnen, Nüsse und Mandeln, Getreide und Vollkornprodukte aus Hafer, Dinkel, Roggen oder Hirse, Pseudogetreide wie Buchweizen, Quinoa, Amaranth und Hanf sowie Pilze sind ebenso zuverlässige Lieferanten. Kommt dann noch die richtige Mischung an Obst und Gemüse, ausreichend Wasser oder Tee und Bewegung dazu, muss man sich die Bikinikur nicht länger mühsam erarbeiten – man behält sie einfach rund ums Jahr. Naturkostläden, Bauernmärkte und Ökokisten tragen ihren Teil dazu bei, indem sie jetzt die idealen Schlankmacher im Angebot haben. Radieschen, junger Spinat und Mangold, die ersten Pflücksalate, Rhabarber, Erdbeeren oder Spargel: All diese lang ersehnten Frühlingsboten sind reich an Geschmack und dabei äußerst kalorienarm.

Aus der Hand in den Mund

Wer einen Balkon, ein Hochbeet oder einen Garten hat, kann sich die Genüsse der Saison mit wenig Aufwand selber ziehen. Das Münchner Startup STADT LAND blüht liefert dazu seit kurzem viermal jährlich das passende Saatgut für Gemüse, Kräuter und essbare Blüten – und zwar zum jeweils richtigen Zeitpunkt und mit einfach erklärter Anleitung rund ums Säen, Pikieren, Pflegen und Ernten. Daneben gibt es jede Menge Bio-Gärtner, bei denen man die gewünschten Kulturen fix und fertig abholen kann und nur noch ins Beet setzen muss. Aber auch auf der Fensterbank – so zeigt Birgit Lahner in ihrem Buch „Bio-Gärtnern auf der Fensterbank“ – lassen sich mit dem richtigen Mix aus guter Erde, ökologischem Dünger, genügend Sonne und Wasser leckere Snacks und Zutaten für die Frühlingsküche gewinnen. Kresse, Sprossen und Kräuter wie Schnittlauch, Petersilie und Basilikum gehören natürlich dazu, aber auch Pflücksalat, Radieschen, Erbsen, Bohnen, Mini-Paprika, Cocktailtomaten und sogar Erdbeeren können auf kleinster Fläche kultiviert und frisch geerntet genossen werden.

Claudia Mattuschat