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Gemüse

Erntezeit in Bayern

Der Klimawandel ist auch in Bayern angekommen. Das haben Hitze und Unwetter in diesem Sommer deutlich gezeigt. Dennoch hat der Freistaat noch Glück gehabt: Zwar gibt es bei Getreide und beim Honig Ernteeinbußen. Für heimisches Obst und Gemüse sieht es in diesem Herbst dennoch recht gut aus. Insofern können wir uns freuen über ein reiches Angebot an Äpfeln, Birnen, Zucchini, Kürbissen, Rüben, Kohl und anderen Genüssen von daheim.

Die Bayerische Staatsregierung hat den Klimawandel auf ihre Agenda gesetzt. Im Rahmen ihres „Klimaprogramms Bayern 2020“ will sie Treibhausgase deutlich reduzieren und sich für drohende Wetterextreme wappnen. Dazu gehört auch die Entwicklung neuer Strategien, mit denen sich Landwirte – als Hauptbetroffene des Klimawandels – auf neue Herausforderungen einstellen können, um in Zukunft weiter reiche Ernten einzufahren. Im Mittelpunkt steht dabei eine schonendere Nutzung von Boden und Wasser, wie es die ökologische Landwirtschaft seit langem vormacht. Deren Anteil soll in Bayern bis 2030 per Beschluss auf 30 Prozent steigen. Mehr Bio aus der Region: Was sich viele ökobewusste Verbraucherinnen und Verbraucher seit langem wünschen, wird also endlich wahr. Das herbstliche Angebot im Bioladen zeigt schon jetzt, was sich direkt vor der Haustür alles kultivieren, ernten und genießen lässt.

Alte Sorten trotzen dem Klima

Dass alte Obst-, Gemüse- und Getreidesorten ihr Comeback feiern, ist nicht nur dem Reiz des Besonderen zuzurechnen. Vielmehr besinnt man sich wieder auf ihren Anbau, weil sie den Standortbedingungen – und nicht zuletzt dem Klimawandel – besser gewachsen sind. Das zeigt sich unter anderem darin, dass sie weniger zu Krankheiten neigen und mit extremeren Wetterlagen besser zurechtkommen. Berlepsch, Boskop, Gravensteiner und Ingrid Marie sind gute Beispiele. Die geschmackvollen alten Apfelsorten sind neuen allerdings auch in anderer Hinsicht überlegen: Ernährungswissenschaftler haben nämlich herausgefunden, dass sie deutlich mehr Polyphenole enthalten. Dabei handelt es sich um sekundäre Pflanzenstoffe, die antioxidativ und entzündungshemmend wirken, freie Radikale binden, den Blutdruck regulieren und vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arthritis und Krebs schützen sollen. Zudem werden Äpfel mit hohem Polyphenolgehalt besser von Allergikern vertragen, die auf den Verzehr neuer Sorten oft mit Juckreiz, Schwellungen oder sogar Atemnot reagieren.

Die Region hat viel zu bieten

Die Suche nach Anpassungsstrategien in der Landwirtschaft ist gut und wichtig. Vor allem aber sollten Maßnahmen ergriffen werden, die das Klima schützen und seinem Wandel entgegenwirken. Dazu gehört auch ein verantwortungsbewusstes Konsumverhalten, bei dem saisonale und regionale Erzeugnisse Vorrang haben. Dass kurze Transportwege vom Bauern in den Handel weniger Emissionen freisetzen ist logisch. Gleichzeitig bleibt aber auch die Wertschöpfung an Ort und Stelle, so dass gerade ökologisch wirtschaftende Betriebe eine Zukunft haben und weiterhin zu einer nachhaltigen Lebensmittelversorgung beitragen können. Bayerns Bauern sind nicht nur Spitzenreiter in der Produktion von Bio-Milch, sondern sie erzeugen auch sehr viel Obst und Gemüse, dessen Vielfalt sich gerade jetzt im Bioladen zeigt. Der Inbegriff des Herbstes sind Kürbisse, von denen Hokkaido, Muskat und Butternut wohl am bekanntesten sind. Bei anderen Exemplaren fragt man sich oft, ob es sich um Zier- oder Speisesorten handelt. Sweet Dumpling ist so einer: Der kleine Kürbis mit der hübschen, grün-, gelb- und orangegestreiften Schale ist äußerst aromatisch und kann sogar roh als Salat zubereitet werden. Besonders ungewöhnlich ist der Spaghetti-Kürbis, der nur halbiert, entkernt, gewürzt und dann im Ofen gegart werden muss, um seinem Namen alle Ehre zu machen.  

Genüsse aus Feld und Wald

Welches Gemüse wird eigentlich zu welcher Jahreszeit geerntet? In Anbetracht des ständig verfügbaren Angebots ist diese Frage gar nicht leicht zu beantworten. Blumenkohl, Brokkoli, Lauch, Rettich und Sellerie beispielsweise kommen jetzt zwar immer noch frisch von Bayerns Feldern in den Bioladen. Doch eigentlich handelt es sich um typische Sommersorten, die dank warmer Tage ihre Saison bis in den Oktober hinein verlängern. Echte Herbstgemüse dagegen sind – vom Kürbis abgesehen – Fenchel, Mais, Kartoffeln, Spinat, Rote Beete, Kohlsorten wie Chinakohl, Rot- und Weißkohl, Spitzkohl oder Wirsing und natürlich Pilze. So mancher sammelt sie – mehr als 30 Jahre nach Tschernobyl – wieder mit gutem Gewissen. Tatsächlich sind bei normalen Verzehrmengen auch keine gesundheitlichen Folgen zu befürchten. Wobei zumindest für Kinder und Schwangere nach wie vor gelten sollte: Besser auf das Sortiment im Bioladen zurückgreifen. Denn dort gibt es zum einen streng schadstoffgeprüfte Wildpilze wie Pfifferling und Steinpilz. Zum anderen werden neben Champignon, Shiitake, Austernpilz und Kräuterseitling immer mehr Zuchtpilze wie Friseepilz, Samthaube, weißer Buchenpilz oder Rosenseitling angeboten, die als wertvolle Eiweiß- und Mineralstofflieferanten insbesondere die vegetarische und vegane Küche bereichern.

Schätze für die Winterzeit

Auch wenn das Wetter in Zeiten des Klimawandels Kapriolen schlägt, ist doch eines immer noch sicher: Auf den Herbst folgt der Winter und damit eine Zeit, in der man sich nach dem bunten Obst- und Gemüseangebot der September- und Oktoberwochen zurücksehnt. Wer im eigenen Garten reiche Ernte eingefahren hat, kann vieles davon mit den richtigen Tricks noch lange knackig frisch halten. Rot- und Weißkraut, Endivien oder Chinakohl schlägt man am besten in Papier ein und lagert sie im Keller oder in der Garage. Neben kühlen Temperaturen brauchen Kartoffeln außerdem noch Dunkelheit, um nicht auszutreiben. Wurzelgemüse wie Karotten, Pastinaken und Rote Beete fühlen sich besonders wohl, wenn man sie – sobald die herbstfeuchte Erde getrocknet ist – einfach in Holzkisten mit feuchtem Sand einschichtet. Auch Lageräpfel wie Topaz, Boskoop oder Cox Orange kann man lange Zeit aufbewahren. Dazu legt man sie mit dem Stiel nach unten einzeln ins Kellerregal, wo sie sich möglichst wenig berühren. Ganz wichtig ist allerdings, sie dabei streng von anderen Ernteschätzen zu trennen. Denn während des Lagerns verströmen Äpfel Ethylen, das die Reifung beschleunigt und die Haltbarkeit anderer Obst- und Gemüsesorten entsprechend verkürzt.  

Fermentiertes ist wieder in

Fallobst hat häufig Druckstellen und ist zum Einlagern nicht mehr tauglich. Als Mus oder Kompott jedoch lassen sich Äpfel, aber auch Birnen, Mirabellen und Zwetschgen prima aufbewahren. Gemüse dagegen wird durch Fermentation lange haltbar und verwandelt sich dabei in ein probiotisches Lebensmittel. Am bekanntesten ist rohes Sauerkraut, das mit seinem hohen Gehalt an Vitamin C die Immunabwehr und mit lebenden Milchsäurebakterien die Darmflora stärkt. Das weiß man nicht nur im hiesigen „Sauerkrautland“, sondern auch im fernen Asien, wo die gesunde Delikatesse als Kimchi bekannt ist. Was mit Weiß- und Spitzkohl funktioniert, geht mit anderen Gemüsesorten ebenso gut. Das zeigen Sebastian Koch und Boris Varchmin, die in Aschheim bei München die Firma completeorganics gegründet haben. Dort entstehen neben „Kraut mit Cranberries“ oder „Daikon Kimchi“ auch spannende neue Mischungen wie „Rote Goji Beete“ und „Ingwer Karotten“, die im Kühlregal der Bioläden angeboten werden. Mit den zum Fermentieren notwendigen Gärtöpfen oder Gläsern, Gewichten und Stampfern kann man sich aber auch an eigene Mischungen wagen. Sieben Tage Geduld braucht man dazu mindestens. Dann aber kann man sich auf intensive Geschmackserlebnisse freuen.

Claudia Mattuschat