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Wissenschaft für sich

Wer statt Cappuccino, Café Latte oder Espresso einen Filterkaffee bestellt, outete sich vor einer Weile noch als einer von den Ewiggestrigen. Heute zeigt man damit, dass man den wahren Wert der Bohne verinnerlicht hat und weiß, dass die Aromen Fingerspitzengefühl für ihre freie Entfaltung benötigen.     

Der Gardasee ist des Münchners zweites Zuhause, und auch sonst fühlen sich die Bayern Italien und seiner Lebensart schon immer sehr verbunden. Da verwundert es wenig, dass es mittlerweile mehr als 100 Kaffeeröstereien im ganzen Freistaat gibt, die in der Kaffeefibel „Kaffeeröstereien in Bayern“ von Thomas Lederer, Markus Raupach und Bastian Böttner bildreich präsentiert werden. Jede von ihnen hat ihre eigene Röstphilosophie, ihre liebsten Aromen und bevorzugten Kaffeebauern. Und die meisten von ihnen setzen auf Bio, weil eben nur die ökologische Erzeugung von Arabica und Robusta Bohnen allererste Güte garantiert.

Das Crema Magazin widmet sich ausschließlich dem Thema Kaffee und kürt alljährlich den „Röster des Jahres“. Im vergangenen Jahr hat die Supremo Rösterei aus Unterhaching bei München gewonnen – und zwar nicht nur wegen der hohen Qualität ihrer Produkte, sondern auch wegen ihres nachhaltigen Rohwareneinkaufs. Eng arbeitet man dort mit den Kleinbauern zusammen, denn guter Kaffee ist eben auch eine Frage des Anbaus, der Pflege und der Ernte. Ökologisch bewähren sich Agroforstsysteme, in denen die Kaffeesträucher zwischen anderen Kulturen gedeihen, die sich gegenseitig Schatten spenden, schützen und ergänzen. So wird zum einen der Boden vor Erosion geschützt und seine Fruchtbarkeit erhalten. Zum anderen gibt man dem Kaffee die Bedingungen, die er als Waldpflanze benötigt, um seine Früchte im lichten Schatten bis zum Optimum reifen zu lassen.

Spezialitäten vom Röstmeister

Wenn die aufbereitete Ernte in der Rösterei eintrifft, sind die Bohnen noch grün und haben einen eher grasigen Geruch. Erst der Röstmeister entlockt ihnen den typischen Kaffeeduft und die aromatische Vielfalt. Dies geschieht in einem Trommelröster, der sich permanent dreht und den Inhalt zunächst trocknet und anschließend bräunt. Gespannt wartet man dabei auf den First Crack, also auf das Brechen der Bohne, das von absolutem Fingerspitzengefühl begleitet sein muss. Die Temperatur wird dann sofort so reduziert, so dass sich Süße, Säure, fruchtige, nussige, blumige, karamellige oder gar schokoladige Aromen voll entfalten können, ohne zu verbrennen. Das Ganze dauert nur wenige Sekunden, ist aber entscheidend für die Qualität des Kaffees. Und genau da sind kleine Manufakturen wie Schneid-Kaffee, Martermühle, Dinzler oder die Murnauer Kaffeerösterei klar im Vorteil: Anders als bei industriellen Kaffeeherstellern überwachen sie den Vorgang nicht mit modernen Computern, sondern mit Augen, Ohren und Nase. Diese Kunstfertigkeit kann man sogar in einem Kurs erlernen, um sich seinen höchst persönlichen Lieblingskaffee zu rösten. Für den Alltag wichtiger ist jedoch vermutlich, mit dem Know-how eines Baristas gängige Kaffeefehler zu vermeiden und das richtige Mahlen, Brühen und Genießen zu beherrschen. Wenn dann noch ein bisschen „Latte Art“ mit Herzen, Blumen oder Blättern hinzukommt, ist man sich der Aufmerksamkeit seiner Gäste in jedem Fall gewiss.

Zubereitung wie beim Barista

Um perfekten Kaffee, Espresso, Café Crema, Latte oder Cappuccino zu genießen, muss es gar kein teurer Vollautomat sein. Je nach Vorlieben, Trinkmenge und räumlichen Gegebenheiten gibt es jede Menge Wege zum vollendeten Genuss. Neben der französischen Stempelkanne, dem italienischen Espressokocher für den Herd und dem wiederentdeckten Handfilter schwören viele auf den einstigen Designklassiker Chemex, die überall einsetzbare AeroPress oder einen herrlich altmodisch anmutenden Vakuumbereiter. Das Gute ist, dass viele Modelle ohne Filter auskommen und damit zur Müllreduzierung beitragen. Dazu gibt es im Handel Permanentfilter oder auch Modelle aus Stoff, die sich leicht reinigen und immer wieder verwenden lassen. Dem Geschmack des Kaffees tut das keinen Abbruch – für die Umwelt aber macht es definitiv einen Unterschied.

Claudia Mattuschat