sdg banner deutsch

SushiSpatz

Das Super-Gewächs aus dem Meer soll den Klimawandel verhindern, den Welthunger stillen und uns alle gesünder machen – eine echte Ansage. Die Bedeutung von Algen für das Weltklima steht außer Frage, denn in den Gewässern der Erde binden sie genauso viel CO2 und produzieren ebenso viel Sauerstoff wie Landpflanzen. Doch sind sie auch der erhoffte Klimaretter und Ernährungsheilsbringer?

Algen wachsen ungemein flott – im Schnitt etwa zehnmal schneller als Landpflanzen. Zudem erzeugen sie rund 30-mal mehr Fette wie unsere bekannteste Energiepflanze, der Raps. Im Gegensatz zu ihm brauchen sie jedoch kein Süßwasser. Als Bonus verwerten die Meerespflanzen überdies auch noch Kohlendioxid. Mit diesen Vorteilen im Gepäck ist es kein Wunder, dass sich verschiedene Branchen für die Nutzung der Pflanze interessieren.

Energizer?

Im Energieumfeld wird der Einsatz als CO2-Filter untersucht. Schon vor zehn Jahren haben die großen Versorger Forschungsprojekte zur CO2-Speicherung der Abgase aus Kohlekraftwerke durch Algen gestartet. Um diese Projekte ist es jedoch still geworden, beziehungsweise sind sie noch nicht in signifikantem Umfang im Einsatz, da hieran noch geforscht wird. Was auf den ersten Blick näher liegt, ist die Fütterung von Algenfeldern mit CO2-Abgasen, um aus Algen Biokraftstoff herzustellen. Die zugehörige Produktion steckt allerdings noch in den Kinderschuhen und auch die Herstellung von Biosprit ist damit aktuell noch zu teuer, sodass man nicht damit rechnen kann, dass dies bald in einem systemrelevanten Ausmaß zu erwarten ist.
Dabei würden laut Welthungerhilfe zu Folge allein in den die USA 16 Millionen Hektar Ackerland frei, wenn der Bedarf an Biodiesel mit Algen aus Anlagentanks auf der vergleichsweise geringen Fläche von 800.000 Hektar produziert würde. Die frei gewordenen Felder könnten wiederum zum Anbau von Nahrungsmitteln genutzt werden – vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums und zu erwartender Nahrungsmittelknappheit wäre das mehr als wünschenswert.

Essbare Algen

Wenn die Alge also im Energiebereich noch ein Stück vom Durchbruch entfernt ist – wie sieht es mit dem Teller aus? Immerhin ist die Ergänzung der eigenen Ernährung durch sogenanntes Superfood ein durchschlagender Trend, der Deutschland im Sturm erobert hat. Immer mehr Verbraucher leisten sich die viel versprechenden Lebensmittel, von Quinoa und Acai über ausgesuchte Gräser, Wildpflanzen und Gartenkräuter bis hin zu Algen.
Die allermeisten der rund 400.000 Algen-Arten weltweit sind nicht genießbar oder gar giftig. Die wenigen essbaren fanden lange Zeit ausschließlich im asiatischen Kulturraum Verwendung als Nahrungsmittel. Inzwischen hat auch der europäische Markt die wenigen schmackhaften Sorten für sich entdeckt und macht es damit den Japanern nach, die größter Produzent und Exporteur sind. Grundsätzlich wird dabei zwischen Mikro- und Makroalgen unterschieden: Während letztere das Gemüse unter den Algen sind, werden Mikroalgen zu Pulvern verarbeitet und dienen in verschiedenen Varianten der Nahrungsergänzung.

Superfood oder bedenklicher Genuss?

Zu den bekanntesten Mikroalgen gehören wohl die Arten Spirulina, Chlorella und AFA. Bei aller Unterschiedlichkeit verfügen sie alle über eine hohe Konzentration von Vitalstoffen und gelten bei den Befürwortern als grüne Alleskönner. Dank ihres hohen Gehaltes von Ballaststoffen, Proteinen, den Vitaminen A, B und K, Folsäure, Eisen und Jod wird ihnen umfangreiche Heilwirkung nachgesagt. Ihr hoher Chlorophyllgehalt wirkt sich positiv auf den Sauerstoffgehalt aus und hat eine hohe antioxidative Wirkung.
Jedoch ist es vor allem der hohe Jodgehalt, der die Kritiker auf den Plan ruft. So warnt unter anderem die Stiftung Warentest vor einer zu hohen Dosierung von Algenprodukten. Auch die Toxinbelastung bei einem erheblichen Anteil der auf dem Markt befindlichen Algenprodukte sollte der kritische Verbraucher beachten – hier gilt es sich über Herkunft und Qualität genau zu informieren. Grundsätzlich gilt für Algen, was auch für alle anderen Lebensmittel gilt: Ein waches Auge mit Blick auf Produktion und Herkunft sollten selbstverständlich sein.

Herkunft und Produktion

Wer auf regionale Ernährung setzen möchte, muss auch bei der Alge nicht verzweifeln: Verbraucher sind nicht auf Produkte aus Fernost angewiesen, sondern können Algen auch aus Deutschland beziehen. So werden auch hier von Spezialbetrieben Braun- und Rotalgen-Arten angebaut. Luftgetrocknet oder frisch können diese Makroalgen den Speiseplan sinnvoll ergänzen. Während Braun- und Rotalgen sich wie Gemüse zubereiten lassen, wird die Chlorella-Alge zu Pulver verarbeitet, um es entweder direkt einem Lebensmittel zuzuführen oder in Form von Tabletten einzunehmen. Mikroalgen wie Spirulina, Chlorella und AFA wachsen außerdem in Süßwasser, und so ist ihr Jodgehalt gänzlich unbedenklich – womit Verbraucher die Vorzüge dieser Pflanzen in vollem Umfang und ohne Reue genießen können.

Retten Algen nun die Welt?

Im Lichte der Nahrungsmittelverknappung und der weltweiten Ressourcenverschwendung ist die Suche nach entsprechenden Lösungen eine der großen Herausforderungen der Menschheit – wenn nicht die größte. Die Vision, Algen im großen Stil anzubauen fußt dabei auf der Tatsache, dass die Algenzucht sehr viel weniger Wasser benötigt als der Anbau anderer Lebensmitteln. Auch für Kraftstoffe ist der Aufwand vergleichsweise niedrig. Zudem ist die Produktion im Grunde überall möglich. Jedoch wirkt der hohe Energieaufwand, um auch in der dunklen Jahreszeit die Produktion aufrecht zu erhalten, derzeit noch hemmend aus. Immerhin zeigt die Forschung hier mit Nutzung der energieeffizienten LED-Technologie in eine mögliche Richtung. Es ist zu hoffen, dass die Nutzung der Alge sowohl als Energiepflanze wie auch als Nahrungsmittel weiter an Fahrt aufnehmen kann – denn die beschriebenen Vorteile des schnellen Wachstums und hohen Fettgehalts machen sie letztlich doch zu einer Superpflanze.

Stephan Wild