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Schule im Blickpunkt

Schafft mein Kind den Sprung aufs Gymnasium? Diese Frage ist spätestens zu Beginn der vierten Grundschulklasse die scheinbar alles entscheidende. Besorgt blicken Eltern in Richtung Zeugnis, mit Spannung erwarten Lehrer die nächsten PISA Ergebnisse. Dabei entwickeln sich im Verborgenen Defizite, für die es keine Schulnoten, aber definitiv Grund zur Besorgnis gibt. Denn das wahre Leben besteht nicht nur aus Deutsch, Mathe und Naturwissenschaften.

Als internationale Schulleistungsuntersuchung nimmt die PISA Studie alle drei Jahre den Kenntnisstand von 15-Jährigen in OECD Ländern und ihren Partnerstaaten unter die Lupe. Erst Anfang 2016 hat sie Deutschland eine deutliche Verbesserung bei der Förderung leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler bescheinigt. Zwar scheitern nach wie vor zwischen 12 und 15 Prozent an den einfachsten sprachlichen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Aufgaben. Aber immerhin geht der Trend in die richtige Richtung: Defizite werden früher erkannt, Förderprogramme sind besser darauf abgestimmt und es wird achtsamer mit der Erkenntnis umgegangen, dass Kinder aus sozialschwachen Familien in der Regel stark benachteiligt sind. Hier anzusetzen und Unterstützung zu bieten ist gerade auch in Anbetracht der Mammutaufgabe sinnvoll, vor der Schulen aktuell stehen: Zehntausende von Flüchtlingskindern müssen in unser Bildungssystem integriert werden und brauchen dazu gezielte Starthilfe, die sie von Daheim kaum erwarten können.

 

Schwächen im Verborgenen

Während die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – kurz OECD – in Anbetracht eines drohenden volkswirtschaftlichen Schadens zur weiteren Verbesserung der Angebote mahnt, machen sich Ärzte, Pädagogen und Psychologen aus ganz anderen Gründen Sorgen. Jenseits von Deutsch, Mathe und Naturwissenschaften sehen sie nämlich eine Fehlentwicklung, die PISA in ihren Analysen nicht erfasst: In den letzten zehn Jahren haben die Gesundheitsprobleme bei Grundschülern erheblich zugenommen. Dies belegt eine repräsentative Lehrerbefragung des Forsa-Instituts, die von DAK-Gesundheit in Auftrag gegeben und im April dieses Jahres veröffentlicht wurde. Allen voran leiden Sechs- bis Zehnjährige immer häufiger an Konzentrationsschwächen, Verhaltensauffälligkeiten, Bewegungsdefiziten und Übergewicht. Gleichzeitig steigt ihre Stressbelastung, was die befragten Lehrerinnen und Lehrer zum einem auf den hohen Erwartungsdruck der Eltern zurückführen, zum anderen auf die Reizüberflutung durch Computer, Smartphone und andere Medien. Gerade alternative Schulen sehen ihre Aufgabe nicht länger in der reinen Wissensvermittlung, sondern auch in der Salutogenese, also in der Stärkung der geistigen und körperlichen Gesundheit ihrer Schüler.

Konzentration durch Bewegung

In vielen Waldorfschulen hat sich das Konzept des „bewegten Klassenzimmers“ bewährt. Stühle und Bänke können dabei nicht nur beliebig zum Sitzen und Lernen verwendet werden, sondern bilden täglich wechselnde Parcours, in denen Bewegungskompetenzen trainiert werden. Neben Geschicklichkeit, Gleichgewicht und Beweglichkeit lernen die Kinder beim Klettern und Balancieren Selbstsicherheit – und das ist definitiv eine wichtige Fähigkeit, um gesund und stark durchs Leben zu kommen. In der Montessori-Pädagogik sieht man Bewegungsfreiheit als wichtige Voraussetzung für geistige Aufnahmefähigkeit. Denn Lernen, so heißt es beim Montessori Dachverband Deutschland e.V., ist in direktem Maße an Bewegung und Handlung geknüpft. In diesem Sinne wird auch in der täglichen Freiarbeit als Herzstück des Unterrichts kein statisches Stillsitzen verlangt. Vielmehr können die Kinder wählen, auf welche Weise und in welcher Haltung sie sich mit ihren Arbeitsmaterialien auseinandersetzen. Was nach entspanntem Lümmeln aussieht, ist oft der Weg zu einer viel tieferen Verinnerlichung des Lernstoffes. Möbelhersteller gehen auf diese Erkenntnis mit ergonomischen Schreibtisch- und Sitzalternativen ein. Auf Moizi Stühlen z.B. können die Hausaufgaben schaukelnd und wippend erledigt werden. Der Swopper von Aeris bietet Bewegungsfreiheit in alle Richtungen.

Ernährung als Schulfach

Waren Schulen früher der Ort, an dem man Lesen, Schreiben und Rechnen lernte, fangen sie heute immer mehr auf, was daheim nicht mehr vermittelt wird. Gesunde Ernährung gehört dazu. An der Waldorfschule ist dieses Thema fest in den Lehrplan integriert: In der „Ackerbauepoche“ beschäftigen sich die Drittklässler mit der Entstehung von Lebensmitteln und lernen zu säen, zu pflügen, Unkraut zu jäten, Kulturen zu pflegen, ihre Früchte zu ernten und daraus Essbares herzustellen. Auch viele Regelschulen vermitteln den Umgang mit Lebensmitteln nicht mehr ausschließlich auf dem Arbeitsblatt, sondern in Schulgärten, Imker AGs oder auf dem Bauernhof. So entsteht ein neues Bewusstsein für ihren tatsächlichen Wert und ihre gesundheitliche Bedeutung. Während die BayWa Stiftung bis dato die Entstehung von 95 Schulgärten in Bayern und Baden-Württemberg gefördert hat, leistet Bayerns Regierung ihren Beitrag mit dem Schulfruchtprogramm. Rund 27 Millionen Euro wurden seit 2010 ausgegeben, um mehr als 600.000 Kinder einmal pro Woche mit kostenlosem Obst und Gemüse zu versorgen. Die Investition hat sich gelohnt, wie eine Studie der Technischen Universität München im Auftrag von Ernährungsminister Helmut Brunner zeigt: Die jungen Teilnehmer aßen vier Jahre nach Programmstart bereits 51 Prozent mehr Obst und Gemüse und übertrugen dieses Ernährungsverhalten auch auf ihre Familien. Inspiriert von den positiven Ergebnissen will der Freistaat das Programm 2017 auf Milch und Milchprodukte erweitern.

Raus aus der Online-Falle

Nach einer Forsa-Umfrage geht etwa jedes siebte Kind mit leerem Magen in die Schule. Das ist fatal, zumal das Frühstück die Grundlage bildet, um sich im Unterricht konzentrieren zu können. Kommt dann der Hunger in der Pause, wird lieber zu Süßigkeiten gegriffen, sitzend der Schultag beendet, um schließlich zu Hause – ebenfalls sitzend – vor Smartphone, PC oder Fernseher den Rest des Tages zu verbringen. Kein Wunder, dass geschätzte 1,4 bis 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche übergewichtig sind.
Mit besonderer Besorgnis sehen Anthroposophen den großen Reiz der elektronischen Medien. Denn sie imitieren seelische Aktivitäten und sind aus diesem Grund besonders verführerisch, wie der Bund der Freien Waldorfschulen in seiner Medienbroschüre „Struwwelpeter 2.0“ schreibt. Wer sollte sich noch anstrengen wollen, wenn er allein durch ein Fingerwischen Spiel, Spaß und Spannung erfährt? Durch frühe Medienabstinenz wollen Waldorfpädagogen eine spätere Medienmündigkeit erreichen, was keinesfalls heißt, dass sie technophob sind. Vielmehr sollen die Kinder aus ihrer Sicht Schritt für Schritt an den sinnvollen Umgang herangeführt werden, damit sie nicht in der Online-Falle landen wie so viele ihrer Altersgenossen insbesondere Jungen. Das würde vielleicht auch ein Problem lösen, das viele Dozenten heute an den Universitäten feststellen: Die Studenten sind zwar besser denn je mit neuen technischen Möglichkeiten vertraut und erschließen sich im Handumdrehen ihre Nutzung. Aber dafür können sie oft keinen Satz mehr orthografisch und grammatikalisch korrekt formulieren.

Claudia Mattuschat

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