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Kosmetik Fotolia Klein

Kosmetik im Einklang mit der Natur

Das Frankfurter Zukunftsinstitut hat eine spannende Aufgabe: Es erforscht neue Trends und trifft Prognosen für die Welt von morgen. So sagt es derzeit voraus, dass Achtsamkeit den Begriff der Nachhaltigkeit ablösen wird – und zwar auch in der Kosmetik. Dabei geht es nicht nur um ein neues Gespür für das eigene Wohlbefinden. Vielmehr werden Produkte künftig verstärkt daran gemessen, ob sie auch in ökologischer und sozialer Hinsicht gut sind.

Eine Drogeriemarktkette feiert die Plastikfreiheit seiner hauseigenen Kosmetiklinie. Was zunächst eine gute Nachricht ist, wirft beim genaueren Nachdenken Fragen auf: Wie kommt es, dass so viele Hersteller immer noch Acrylate, Ethylene, Buthylene, Propylene und andere Polymere verwenden, obwohl ihre Schädlichkeit längst erwiesen und ihr Nachweis selbst in der Muttermilch erbracht wurde? Dabei geht es nicht nur um feste Mikropartikel in Peeling- und Reinigungsprodukten. Auch in flüssiger Form gehört Plastik zum gängigen Bestandteil konventioneller Cremes, Lotionen, Make-ups, Wimperntuschen, Lidschatten und Lippenstifte. Denn der Rohstoff ist billig – und das ist es, was für die Unternehmen am meisten zählt. Aufgeklärte Kunden sehen das allerdings anders. Denn sie wissen: Plastik zersetzt sich mit der Zeit nur in immer kleinere Bestandteile, ohne jemals völlig zu verschwinden. Dabei sondert es giftige und hormonell wirksame Stoffe ab, die zur Gesundheitsgefahr werden. Je weiter diese alarmierende Erkenntnis dringt, desto mehr Menschen entscheiden sich für zertifizierte Naturkosmetik. Deren Hersteller verzichten nämlich auf bedenkliche Inhaltsstoffe und setzen beispielsweise auf Zucker- und Salzkristalle, gemahlene Nussschalen und Kerne, Wachsperlen oder andere natürliche „Schleifmittel“ für eine ebenmäßige Haut.

Orientierung im Siegelwald

Die wenigsten werden beim Einkaufen das unverständlich Kleingedruckte auf der Rückseite lesen. Deshalb ist es beruhigend zu wissen, dass bei Naturkosmetik generell keine kritischen Inhaltsstoffe wie Polymere, Silikone, Erdölderivate, gentechnisch veränderte Rohstoffe, synthetische Fette, Öle, Farb- und Duftstoffe sowie radioaktive Bestrahlung zum Einsatz kommen. Zwar gibt es – anders als bei Bio-Lebensmitteln – keinen europaweit verbindlichen und gesetzlich geschützten Standard. Aber es wurden Siegel etabliert, die nur an geprüfte Naturkosmetik vergeben werden. Weithin bekannt ist das Zeichen von NaTrue, das von führenden deutschen Naturkosmetikherstellern wie Lavera, Primavera, Dr. Hauschka und Weleda entwickelt wurde und für besonders hohe Standards steht. Ein anderes, ähnlich strenges System ist Cosmos, das BDIH, Cosmebio, Eco-Cert, Soil-Association und ICEA 2017 eingeführt haben. Mit Cosmos Natural werden dabei Produkte gelabelt, die die klar definierten Grundanforderungen der beteiligten Hersteller erfüllen. Steht Cosmos Organic auf der Verpackung, kann man sich zudem darauf verlassen, dass mindestens 95 Prozent der pflanzlichen oder tierischen Inhaltsstoffe aus ökologischer Erzeugung stammen.

Achtsamkeit beim Einkauf

Aus Kundensicht ist das allerdings noch nicht genug. Das sieht man an der Vielzahl der Label, die sich mit den Naturkosmetiksiegeln den Platz teilen. Tragen Tiegel und Tuben den Hasen mit schützender Hand oder den internationalen „Leaping Bunny“? Dann kann man sicher sein, dass der Inhalt – wie bei i+m, Bioturm oder Martina Gebhardt – auch den Kriterien der Tierschutzorganisationen standhält. Soll die Kosmetik generell frei sein von tierischen Ingredienzien wie Bienenwachs, Milchsäure, Lecithin, Lanolin und ähnlichem? Dann greift man zu Produkten mit der Veganblume, die beispielsweise Santaverde oder Nonique anbieten. Und wem darüber hinaus auch das Wohl derer am Herzen liegt, die für den Anbau der Rohstoffe zuständig sind, findet bei Fair Squared die erste Kosmetik mit Fairtrade Siegel. Zieht man den Wasseranteil ab, kommt der Kölner Hersteller im Schnitt auf einen Fairhandelsanteil von 35 Prozent, was für Pflegeprodukte hoch ist. Aprikosen und Mandeln bezieht er beispielsweise von Anbaupartnern aus Pakistan, Oliven aus Palästina, Argan aus Marokko, Shea Butter aus Ghana und Kokos aus Indien. Dadurch haben Kleinbauern neue Marktchancen bekommen und erzielen mit ihren Erzeugnissen angemessene Preise.

Verpackung neu gedacht

Achtsamkeit bei der Gesichts-, Körper- und Haarpflege ist gut. Noch besser aber ist es, auch das Drumherum in die Auswahl einzubeziehen. Plastik ist aus den bereits genannten Gründen problematisch, kann aber – wie bei der neuen Birkenstock Gesichtspflege – immerhin durch Refill Lösungen reduziert werden. Glas hat ein höheres Gewicht und entsprechend höhere Transportkosten. Und bei Metall stehen Herstellungsaufwand und Nutzen meist in keinem sinnvollen Verhältnis, sofern die Verpackungen nicht wieder befüllt werden können. Dennoch brauchen Gesichtswasser, Cremes, Lotionen, Shampoos und andere Kosmetikprodukte natürlich eine zuverlässige Verpackung, um Keimfreiheit und möglichst lange Haltbarkeit zu gewährleisten. Aus diesem Grund stellt der dänische Naturkosmetikhersteller Urtekram seine Abfüllung gerade in Flaschen und Tuben aus Zuckerrohr um, die den pflegenden Inhalt auf umweltverträgliche Weise schützen. Im thüringischen Schleusingen entstehen Haarprodukte der Marke Überwood, die in Spendern aus so genanntem Polywood angeboten werden. Das innovative Material wird aus nachhaltig angebauten heimischen Nadelhölzern gewonnen und spart im Vergleich zu Plastik bis zu 40 Prozent Erdöl ein. Noch rar sind Verpackungen aus beschichteter Pappe, die sich meist nur für trockene Kosmetikprodukte eignen. Ben&Anna Deodorants sind ein gutes Beispiel: Sieben Sorten gibt es, die in Papertubes aus recyceltem Altpapier genau das tun, was ein Deo tun soll – aber ökologisch einwandfrei.

Öfter mal Zero Waste

Auch zum vieldiskutierten Thema Zero Waste machen sich einige Hersteller Gedanken. Ein Comeback feiert dabei die gute alte Seife, die längst nicht nur zum Händewaschen, sondern auch speziell für Haare, Körper und Rasur angeboten wird. Als trockenes Kosmetikprodukt braucht sie maximal eine Papierverpackung und ist daher Flüssigseife, Duschgels oder Shampoos im herkömmlichen Spender überlegen. Was für Milchprodukte und Getränke seit langem bestens funktioniert, hat Fair Squared nun auch für viele seiner Produkte eingeführt: Ein Mehrwegsystem, bei dem die leeren Tiegel von Bodylotion, Gesichts- und Handcreme, Lippen-, Sonnen- oder Fußpflege einfach wieder in den Laden zurückgebracht und beim Hersteller nach gründlicher Reinigung neu befüllt werden.

Die Lösung, den Refill direkt im Handel anzubieten, funktioniert leider nur für Waschmittel, nicht aber für Kosmetika. Zu hoch ist die Gefahr, dass sich durch mangelnde Sauberkeit unerwünschte und ungesunde Keime ins Produkt einschleichen. Aber immerhin: Aus praktischen Spendern kann man sich in so manchem Naturkostladen bereits Zahnputztabletten und Waschstücke holen, die keinerlei Verpackung brauchen. Auch waschbare Abschminkpads und Binden oder wiederverwendbare Ohrenstäbchen aus Bambus sind Beispiele, wie sich bei Pflege und Hygiene der Müll reduzieren lässt.

Und davon ganz abgesehen kann man die Vielzahl der Produkte auch auf kreative Weise reduzieren. Eine Maske aus Quark und Gurken, ein Peeling aus Meersalz oder Zucker, eine selbstgerührte Bodybutter aus Kakaobutter, Kokos- und Mandelöl: Aus dem Vorrat kommen natürliche Schönmacher, die oft ebenso gut wirken, aber keine unnötigen Spuren auf dem Planeten hinterlassen. Ideen dazu gibt es zum Beispiel im Beautyblog von onceuponacream.at.

Claudia Mattuschat