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Leder

Schon „Ötzi“ trug es. Seine Kleidung und Mütze bestanden daraus – und zwar aus Leder. Auch die Ägypter und Römer kleideten sich mit der sehr robusten Tierhaut. Im Mittelalter wussten sowohl Könige als auch ganz normale Bauern die Vorzüge von Leder zu schätzen. Daran hat sich auch in unserer modernen Gesellschaft nichts geändert.

Ob nun Cowboys, Topmodels oder Otto-Normalverbraucher - gegerbte Tierhäute sind sehr gefragt. Und das nicht nur in Form von Kleidern. Autos, Möbel, Taschen, Schmuck und Schuhe – Leder ist allgegenwärtig. Doch die Herstellung ist mit sehr viel Dreck, Chemikalien und Leiden für Mensch und Tier verbunden.

40 Kilo Haut, 20 Kilo Chemie

Die Haut eines Bullen bringt um die 40 Kilo auf die Waage. Bis zu 20 Kilo an chemischen Stoffen sind nötig, um aus der Tierhaut ein robustes, weiches und haltbares Leder zu machen. Denn: Naturfett und Eiweiß müssen aus der Haut herausgewaschen, die Haare entfernt, Schwanzwurzel, Bauchnabel, Kniescheiben abgetrennt werden. Dann beginnt das Gerben – bevorzugt mit Chrom III und einer Menge Wasser. Ein Kilo Rindsleder verschlingt bis zu 16.600 Liter virtuelles Wasser. Zudem enthalten Gerbereiabwässer enorme Mengen an Schadstoffen wie Zink, Cadmium, Arsen sowie Sulfide und Säuren. Diese gelangen oft ungefiltert in Flüsse, sind äußerst giftig für Fische und Mikroorganismen, belasten das Grundwasser und stellen auch für die Arbeiter eine große Gefahr dar.

Gerben – ein schmutziges Handwerk

Ein sauberes Handwerk war das Gerben von Tierhäuten noch nie. Auch wenn über Jahrhunderte pflanzlich gegerbt wurde – aus Eichenrinde, Rhabarberwurzeln, Mimosarinde, Quebrachoholz oder Tara-Schoten wurden und werden Gerbstoffe in einem sehr langwierigen und aufwendigen Prozess hergestellt. Um 1860 kamen dann Chromsalze ins Spiel – eine harte Chemiekeule. Sie vernetzen und stabilisieren die Eiweißfasern in der Tierhaut, machen aus Rohleder innerhalb von wenigen Stunden ein besonders weiches und haltbares Material, das noch vielseitiger eingesetzt werden kann. Mittlerweile gerbt die globale Lederindustrie zu 90 Prozent mit Chrom III.

Chrom: giftig und krebserregend

Bei einer sorgfältigen Verarbeitung ist Chrom III im Leder stabil gebunden, kann kaum in die Haut eindringen. Durch zu hohe Temperaturen oder zu viel Chromsalz im Gerbprozess kann jedoch das extrem gesundheitsschädliche Chrom VI entstehen, das die Haut angreift, Kontaktallergien auslöst und sogar als krebserregend gilt. Viele Arbeiter atmen in den Gerbereien Chrom auch als Staub ein und erkranken dadurch an Bronchitis, Asthma, Allergien oder auch Lungenkrebs. Aber auch der Kunde, der in den Konsumtempeln Lederschuhe oder Lederhosen kauft, sollte aufpassen. Die Gefahr, auf die Berührung mit Chrom VI allergisch zu reagieren, ist vor allem bei Menschen hoch, die zu Hautekzemen neigen. Das Risiko steigt auch bei langanhaltendem Kontakt mit dem Stoff.

Vorsicht! „Made in Europe“

So ein „italienischer Lederschuh“ hat eine lange Reise hinter sich, bis er letztlich im Regal eines Kaufhauses steht. Fangen wir mit dem Rohleder an, das oft aus Brasilien oder den USA stammt. Zwei Länder, in denen mit die größten Fleischproduzenten der Welt sitzen, die nicht nur mit Steaks, sondern auch mit Tierhäuten viel Geld verdienen.
Die brasilianische Firma JBS etwa schlachtet 100.000 Rinder, 70.000 Schweine und 25.000 Schafe pro Tag. Es geht weiter: In China, Bangladesch, Indien oder Vietnam wird unter miserabelsten Arbeitsbedingungen gegerbt. Das Leder wird mit viel Chemie danach gefärbt, gefettet und geglättet. Dazu bekommt es eine Schutzschicht gegen Kratzer und Flecken im alltäglichen Gebrauch verpasst. Dabei kommen unter anderem Kohlenwasserstoffverbindungen und Hydrophobiermittel zum Einsatz. Das von Natur aus atmungsaktive Leder wird somit praktisch versiegelt. In Osteuropa sorgen schließlich äußerst billige Arbeitskräfte in den Schuhfabriken dafür, dass aus der Tierhaut ein Lederschuh wird, der dann zum absoluten Schnäppchenpreis in Deutschland zu erwerben ist. Das Ganze nennt sich dann „Made in Europe“.

Leder aus Deutschland

Aufgrund der strengen Gesetzgebung und der weitreichenden Umweltauflagen zählt die deutsche Lederindustrie zu den saubersten der Welt. Doch die hohen Standards haben natürlich ihren Preis. Und so gibt es nur noch wenige Gerbereien in Deutschland, die den globalen Konkurrenzkampf überlebt haben.
Unser Tipp: Die Lederschuhe, Ledertasche oder Lederhose zum Schnäppchenpreis links liegen lassen und die regionalen Gerbereien suchen, finden und unterstützen, die beim Leder auf artgerechte Tierhaltung, soziale Standards und die Kraft der Pflanze setzen.


Sebastian Schulke