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SchnittlauchSpatz

Ökologisch gärtnern

Sogar die Corona Krise hat ihre gute Seiten: Es wird wieder mehr gekocht und selber angebaut. Dazu braucht man nicht unbedingt einen eigenen Garten. Für manche Gemüsesorten reicht ein Platz auf dem Balkon. Immer öfter werden auch kleine Parzellen auf Gemeinschaftsflächen angeboten, wo man gleich noch den Austausch mit Gleichgesinnten dazubekommt. Saatgut gibt‘s im Bioladen. Und sogar aus Gemüseresten lassen sich neue Genüsse ziehen. Zeit also, die Ärmel hochzukrempeln!

In schwierigen Phasen weiß man die vorhandenen Ressourcen wieder neu zu schätzen: das schöne Zuhause und die (eigentlich doch ganz netten) Familienmitglieder ebenso wie die Läden nebenan oder lange ungenutzte Kompetenzen des Selbermachens.  Das Frankfurter Zukunftsinstitut prognostiziert daher als möglichen Effekt der Pandemie die Entwicklung so genannter Neo-Tribes, bei denen die Rückbesinnung auf Haus und Hof, Nachhaltigkeit und Regionalität eine wichtige Rolle spielt. Statt ins Restaurant zu gehen wird daheim wieder selber gekocht und gebacken, am liebsten aus regionalen Zutaten und noch lieber aus eigener Ernte. Nicht zuletzt deshalb freuen sich die Bioläden gerade über wachsende Kunden- und Umsatzzahlen. Bei vielen gehören nachhaltig produzierte Erde, ökologischer Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie eine wachsende Vielfalt von Bio-Saatgut längst zum Sortiment. Immer öfter sieht man dort auch Tomaten-, Gurken-, Kürbis- oder Zucchini-Jungpflanzen, die Bio-Bauern aus der Region nach den Eisheiligen für den Anbau in privaten Gärten anbieten. Noch frischer als vom eigenen Baum, Strauch, Beet und Kübel können die Zutaten nicht in die Salatschüssel, in den Kochtopf oder ins Einweckglas kommen. Und einen positiven Nebeneffekt für Umwelt und Klima gibt‘s obendrein: Durch eingesparte Transportwege und Verpackungsmaterialien wird der ökologische Fußabdruck Stück für Stück kleiner.

Platz ist überall

Am Anfang der Gartenkarriere stehen wichtige Überlegungen: Wo könnten Beete angelegt und Kübel aufgestellt werden? Oder aber: Wer vermietet in erreichbarer Nähe Anbauflächen? In München koordiniert die Umweltorganisation Green City e.V. das Projekt „Essbare Stadt“, das die Landeshauptstadt in einer städtischen Baumschule ermöglicht hat. 50 Euro für zwei Quadratmeter, Gießwasser, Werkzeugnutzung, ein Starterset mit Bio-Saatgut und gute Gärtnertipps zahlt man dort für eine Saison. Der Run wird immer größer: Die Parzellen für 2021 sind schon vergeben. Fündig werden könnte man aber noch auf urbane-gaerten-muenchen.de, wo die ganze Vielfalt der Münchner Möglichkeiten vereint ist. Interessant ist dort zu lesen, wie viele Bewohner/innen-Gärten es  bereits gibt: So manche Hausverwaltung erlaubt nämlich auf Freiflächen und Dachterrassen den nachbarschaftlichen Obst- und Gemüseanbau.

Gleichzeitig kommt das wachsende Blütenangebot den Bienen zugute, die durch ihre Bestäubungsleistung erst für reiche Ernten sorgen. Und schöner wird die Wohnanlage dadurch in der Regel auch noch – Win-Win also für alle Beteiligten. Das dachten sich wohl auch die Macher des bislang einmaligen Projekts „Bee Free“: Das klimafreundlich und ressourcenschonend konzipierte Wohnquartier entsteht am Universitätsstandort Freising und umfasst neben Apartments für Studierende eine Kräuterlandschaft, Anbauflächen für Obst und Gemüse, eine große Küche zur Verarbeitung der Ernte, einen traditionellen Lagerkeller und Bienenstöcke auf dem Dach.

Profis verraten Tricks

Corona hat nicht nur alte Leidenschaften neu entfacht. Die Pandemie hat auch bewiesen, dass Digitalisierung heute nicht mehr wegzudenken ist. Sogar als Kleingärtner findet man  fundiertes Wissen über ökologische Anbau- und Pflegemethoden inzwischen bei Online-Kursen, in denen einem der Weg zur Selbstversorgung Schritt für Schritt gewiesen wird. Einer ist von Marie Diederich, die auf wurzelwerk.net schon jede Menge Schüler gewonnen hat. Pappkartons, so lernen sie schnell, sind viel zu schade zum Wegwerfen. Im Handumdrehen entsteht damit nämlich auf einem Stückchen Wiese ein neues Gemüsebeet: Einfach auslegen, Balken oder Baumstämme als Randbefestigung drum herum, gute Komposterde einfüllen – fertig. Gerade starkzehrende Sorten wie Tomaten und Zucchini, die man jetzt auf der warmen Fensterbank vorziehen kann, profitieren von solch nährstoffreichen Untergründen. Allerdings natürlich erst, wenn kein Frost mehr zu erwarten ist. So hungrig sie später auch sind, sollte ihre Kinderstube dennoch erst einmal aus – möglichst torffreier – Anzuchterde bestehen. Denn die ist bewusst mager und fördert auf diese Weise ein gesundes Wurzelwachstum. Das wiederum ist wichtig, um pünktlich nach den Eisheiligen kräftige, widerstandsfähige Pflanzen zur Hand zu haben.

Mischung macht‘s

Bei der Zusammenstellung auf dem Beet ist eine ausgeklügelte Mischkultur wichtig, um keine Enttäuschungen zu erleben. Aufgrund unterschiedlicher Eigenschaften und Bedürfnisse können sich die Kulturen nämlich gegenseitig gesund halten wie zum Beispiel Salat und Karotten oder Tomaten und Basilikum. Sie können sich aber auch schwächen und für Schädlinge und Krankheiten anfällig machen, was unter anderem für Rote Bete und Mangold oder Spinat gilt. Natürlich lässt sich aus der Jahrhunderte alten Gärtnerweisheit eine echte Wissenschaft machen, die auf den Gartenseiten von nabu.de anschaulich erklärt wird. Man kann sich aber auch schnelle Unterstützung holen durch fix und fertige Pflanzpläne, die Marie Diederich von wurzelwerk.de, aber auch Natalie Kirchbaumer und Wanda Ganders von meine-ernte.de anbieten. Die erfahrenen Gärtnerinnen berücksichtigen dabei zum einen die Fruchtfolge, so dass sich die Sorten in ihrem Wachstum begünstigen. Gleichzeitig gestalten sie die Beete so, dass sie über mehrere Monate guten Ertrag abwerfen und dabei – als Pesto, Veggie Bowl oder Easy Peasy Beet auf persönliche Vorlieben zugeschnitten sind. Tomaten oder Gurken sollten als vorgezogene Jungpflanzen gesetzt werden. Radieschen, Pflücksalat oder Karotten dagegen sät man besser. Dabei wird noch ein Blick auf die Saatguttüte geworfen: Dort steht kein Mindesthaltbarkeitsdatum, aber eine Angabe für die ideale Keimfähigkeit. Also am besten im Jahr des Kaufs aussäen – oder ältere Samen auf einem feuchten Stück Pappe erst auf Keimfähigkeit testen. Zeigt sich nach wenigen Tagen ein Spross: Ab damit in die Erde. Aber bitte nur so tief, wie das Körnchen groß ist.

Von wegen Abfall

Ein neuer Trend gegen Lebensmittelverschwendung macht gerade die Runde: Regrowing. Gemüsereste werden dabei nicht einfach auf dem Kompost entsorgt, sondern zu neuem Leben erweckt. Prima funktioniert das beispielsweise mit Salat. Wenn der Strunk in ein (tägliches frisches!) Glas Wasser gestellt wird, entwickelt er nach wenigen Tagen wieder Wurzeln und kann für eine weitere Ernteperiode ins Beet gepflanzt werden. Dasselbe funktioniert bei Zwiebeln, Rote Bete, Lauch, Karotten, Staudensellerie, Chinakohl, Pastinaken oder Petersilienwurzeln. Auch sie entwickeln zunächst im Glas Wurzeln und werden nach etwa zwei Wochen in einen Blumentopf oder ins Beet umgesetzt, wo sie dann wieder wachsen dürfen. Noch ungewöhnlicher ist die Idee, eine Scheibe Tomate mit Erde zu bedecken. Aber tatsächlich wachsen daraus bei entsprechend guter Pflege jede Menge neue Pflänzchen, die man dann vereinzeln und nach dem Frost auspflanzen kann. Damit sie allerdings Früchte tragen, muss es sich um eine samenfeste Sorte handeln. Der Bioladen hat davon eine Menge zu bieten. Ein Versuch mit der Lieblingssorte? Könnte bald reiche Ernte bringen.

Claudia Mattuschat