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Altmuehltalradweg

Wo die Seele noch baumeln kann

Das Virus wütet, und alles sehnt sich nach einer Auszeit. Raus aus dem Alltag, weg von den belastenden Nachrichten, hin zu Entspannung und Erholung. Große Reisen werden in diesem Jahr kaum planbar sein, denn die Entwicklung der Pandemie lässt sich nur schwer abschätzen. Aber Bayern hat ohnehin so viele schöne Ziele zu bieten, dass sich manch einer verwundert fragt: Warum bin ich eigentlich immer so weit gereist, wenn das Gute – wie Goethe schon vor langer Zeit sagte – doch so nah liegt?  

In der Krise verändert sich der Blickwinkel: Was vorher durch seine ständige Verfügbarkeit wenig attraktiv wirkte, gewinnt durch den derzeit eng begrenzten Freizeitradius auf einmal an neuem Wert. So ist es auch mit Naturschätzen vor der eigenen Tür, die Menschen anziehen wie noch nie. In Bayern sind dies vor allem die Berge, die seit dem ersten Lockdown deutlich mehr besucht werden. Viele haben das Wandern, Bergsteigen und Klettern als neues Hobby für sich entdeckt. Während etliche Branchen pandemiebedingt Verluste einfahren, haben die Hersteller von Outdoor-Artikeln alle Hände voll zu tun. Rucksäcke, Bergstiefel, Wanderstöcke, aber auch passende Bekleidung sind gefragter denn je. Was viel Funktion verspricht, hat allerdings oft ökologische Nebenwirkungen: Nach Angaben des Magazins Ökotest bestehen nach wie vor 90 Prozent der Sportausstattung aus erdölbasierten und chemisch veredelten Rohstoffen. Hersteller wie Vaude oder Schöffel gehen da längst andere Wege und zeigen, dass es anders geht. Sie produzieren wetterfeste Jacken und Hosen, aber auch Fahrradtaschen und Rucksäcke ohne umwelt- und gesundheitsschädliche polyfluorierte Carbone (PFC) und setzen immer öfter auf recycelte Materialien. Dazu gehören nicht nur Polyester und Nylon aus alter Kleidung, sondern auch Fischernetze oder PET-Flaschen, aus denen neue Textilfasern gewonnen werden. So ausgestattet, kann man mit gutem Öko-Gewissen ins Abenteuer starten.

Berge locken wie noch nie 

„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein…“ Der alte Song von Liedermacher Reinhard Mey spricht nicht nur Flug-, sondern auch Bergbegeisterten aus dem Herzen. Wo diese Sehnsucht jedoch zu Wildparken, Wildcampen und anderen Ärgernissen führt, kann man den Aufschrei der Anwohner nachvollziehen. Wer wirklichen Berggenuss sucht, sollte möglichst früh zu weniger bekannten Zielen aufbrechen. Oft entdeckt man im Schatten von stark frequentierten Münchner Hausbergen und namhaften Gipfelberühmtheiten sympathisch stille Nachbarn mit ebenso lohnenswerten Ausblicken und wesentlichem Vorteil: Auf ihren einsamen Pfaden lässt es sich leichter Abstand zu anderen Wanderern halten, und man kann die Natur entspannter genießen. Ein gut gefüllter Rucksack ist als Wegbegleiter unerlässlich, denn die wenigstens Hütten können Essen und Getränke „To go“ anbieten. Während des Lockdowns hat der Großteil geschlossen und hofft darauf, bald an die Erfahrungen der letzten Wandersaison anknüpfen zu können. Da war zwar an eine reguläre Auslastung aufgrund der Pandemie bei weitem nicht zu denken. Aber mit den nötigen Abstandsregeln, ausgeklügelten Hygienekonzepten sowie einer gehörigen Portion Kreativität haben es die meisten Wirtinnen und Wirte dennoch geschafft, halbwegs gut durch die Krise zu kommen und ihren Gästen ein gelungenes Bergerlebnis zu bieten. Mund-Nasen-Schutz, Handdesinfektion und eigener Schlafsack werden wohl noch eine ganze Weile zur festen Ausstattung von Hüttenwanderern gehören. Aber wen stört das schon, solange es endlich wieder aufwärts geht?

Abenteuer zu Fuß erleben 

Bergauf wandern ist schön, aber nicht unbedingt jedermanns Sache. Das muss es auch nicht, wenn man Highlights wie das erste „Nationale Naturmonument Bayerns“ in erreichbarer Nähe hat. Gemeint ist die Weltenburger Enge, die schon König Ludwig I. dereinst in ihren Bann gezogen hat. Vor Jahrtausenden hat sich an diesem Ort südwestlich von Regensburg ein Nebenfluss der Urdonau seinen Weg durch die hohen Kalkfelsen gesucht. Auf diese Weise ist eine einzigartige Landschaft entstanden, in der Fledermäuse, Uhus und Eisvögel, Frauenschuh und Diptam eine geschützte Heimat gefunden haben. Auf elf verschiedenen Wanderwegen lässt sie sich – teilweise sogar mit dem Kinderwagen – von Kelheim bis zum kulturträchtigen Kloster Weltenburg erkunden. Wen die Füße weiter tragen, der kann Europas zweitgrößten Fluss auch ganze 222 Kilometer lang auf dem abwechslungsreichen Donau-Panoramaweg folgen. In zehn Etappen geht es von Neustadt aus an mittelalterlichen Burgruinen vorbei, durch artenreiche Auen- und Altwassergebiete hindurch und mitten hinein in die schöne Drei-Flüsse-Stadt Passau. Wenn zwischendurch die Puste ausgeht, kann man einzelne Strecken hoffentlich bald wieder per Schiff zurücklegen, in urigen Gasthäusern regionale Spezialitäten genießen und sich auf die Übernachtung in gemütlichen Unterkünften freuen. Gastronomen und Tourismusanbieter stehen längst in den Startlöchern, um ihre Gäste pandemiekonform bei sich zu begrüßen. Wenn endlich die Inzidenzzahlen sinken, kann es hoffentlich bald losgehen.

Unabhängig mit dem Rad

Abstand halten und regelmäßig Lüften: Das lässt sich beim Fahrradfahren problemlos einhalten. Geschichtsinteressierte lädt der Altmühl-Radweg acht Tage lang auf eine Reise in die Vergangenheit ein. Das pittoreske Tal, das sich von Rothenburg ob der Tauber bis in die UNESCO Welterbestadt Regensburg erstreckt, war in alter Zeit von römischen Legionären besiedelt. Noch heute findet man dort Reste von Wachtürmen, Kastellen, Thermen und dem berühmten Limes, der das römische Weltreich einst von Germanien trennte. Weniger lang, aber doch imposant ist die Historie des Riedenburger Brauhauses, das am siebten Etappenziel mit seinem „grünen Wohnzimmer“ auf durstige Biergartenbesucher wartet. 1994 war der fränkische Familienbetrieb die erste Brauerei Bayerns, die ihre Biere zu 100 Prozent aus Bio-Zutaten braute. Dazu gehören neben klassischen Bieren auch Spezialitäten aus Urgetreide und saisonale Highlights wie der Plankstettener Maibock oder der Dolden Sommer Sud. Um Bio im weitesten Sinne geht es auch auf dem 82 Kilometer langen M-Wasserweg, den die Stadtwerke der Landeshauptstadt empfehlen: Dort erlebt man an 20 Stationen die Gewinnung des Münchner Trinkwassers, das zu den besten Europas zählt. Zu rund 80 Prozent stammt es aus dem Mangfalltal, wo 1992 zusammen mit Öko-Verbänden wie Naturland und Bioland die „Initiative Öko-Bauern“ gestartet wurde. Mehr als 175 landwirtschaftliche Betriebe tragen seither durch boden- und gewässerschonende Bewirtschaftung zur hohen Wasserqualität bei und lassen die heimische Bio-Vielfalt wachsen, die immer mehr gefragt ist.

Reisen nach der Pandemie

Wandern, radeln, alles gut und schön. Aber wie steht es mit richtigen Reisen? Das fragen sich vor allem die vielen Menschen, die in Deutschland und weltweit vom Tourismus leben. Für sie ist die Krise eine Katastrophe, die viele Existenzen bedroht. Der Umwelt jedoch tut der erzwungene Stillstand gut: Das zeigen die deutlich zurückgegangenen CO2 Emissionen ebenso wie Venedigs saubere Kanäle. Es wird ein Reiseleben nach Corona geben, da ist sich die Branche sicher. Aber Tatsache ist: Es muss endlich die richtige Balance gefunden werden, damit Reisen nicht länger zu Lasten von Umwelt und Klima geht. Beim forum anders reisen, dem Dachverband nachhaltiger Reiseanbieter, spricht man von einer Chance, Tourismus neu zu denken. Innovative Konzepte müssen die Gesundheit von Gästen, Mitarbeitenden und Bevölkerung am Urlaubsziel im Blick haben, aber auch ökologisches, ökonomisches und soziales Verantwortungsbewusstsein beweisen. Weg vom Massentourismus, hin zu nachhaltig gestalteten Auszeiten: So könnte das Reisen nach Corona eine Zukunft haben. Noch ein bisschen Geduld, dann können wir endlich – und im Idealfall umso bewusster – zu neuen Zielen aufbrechen.

Claudia Mattuschat