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Wolldecke

Nachhaltige Heimtextilien für gesundes Wohnen

Nicht nur die Bekleidung, auch Heimtextilien sind einem gewissen Trend unterworfen. Wer in Bettwäsche und Gardinen heute die Muster der 70er Jahre erkennt, liegt richtig. Nur die Farbigkeit ist eine andere geworden. Und wer beim Auspacken von Handtuch & Co. nicht mehr den Geruch aller möglichen Chemikalien in der Nase hat, liegt ebenfalls richtig. Unsere Textilien sind sauberer geworden. Um allerdings ein Heim ohne Nebenwirkungen genießen zu können, müssen wir auf ein wenig mehr als das Design achten.

Laut textilenetwork.de betrug die Naturfasererzeugung im Jahr 2018 32 Millionen Tonnen. Ein Produktionsrückgang von über 10% in den letzten zehn Jahren. Dem steht eine steigende weltweite Produktion von synthetischen Filamentfasern (hauptsächlich Polyester) auf 50 Millionen Tonnen gegenüber. Das zeigt deutlich den Trend zu so genannten pflegeleichten Textilien ohne Rücksicht auf die Gefahren der Gewässerverschmutzung bei der Herstellung, die Nutzung der endlichen Ressource Erdöl und im Endeffekt der Mikroplastikverschmutzung.

Damit sind wir beim einem wichtigen Kriterium, das unsere Kaufentscheidung beeinflussen sollte: Naturfaser. Hier gibt es von Kuscheldecke bis Geschirrtuch viele natürliche Angebote. Und das natürlich auch für jeden Geldbeutel. Wer etwas tiefer in die Tasche greifen möchte hüllt sich in feines Alpaka, andere haben mit einem Plaid aus Wolle denselben Wohlfühleffekt. Da es sich hier um tierische Produkte handelt, sollte man ein Auge auf Herkunft und Herstellung haben, damit im Endeffekt weder die Decke noch das Gewissen kratzt. So unterstützt man mit dem Kauf eines Plaids, einer Decke aus heimischer Schafschurwolle die ökologische Landschaftspflege ebenso wie den Erhalt alter Nutztierrassen. Das Rhönschaf im Biosphärenreservat Rhön ist zum Beispiel für die Kulturlandschaft unverzichtbar und liefert darüber hinaus die Rohstoffe für mollige Decken und hochwertige Teppiche in Bioqualität, die jedes Heim gemütlicher machen. Und wer seine Kuscheldecke selber stricken möchte findet unter dem Stichwort Schäfereibetriebe mit Direktvermarktung Bayern eine Liste der Landesanstalt für Landwirtschaft. Auch das exotische Alpaka ist zwischenzeitlich nicht mehr nur in den Anden beheimatet, sondern in Deutschland und Österreich und liefert die hochwertige Wolle sozusagen regional.

Baumwolle, unsere liebste alternative Faser, ist zwar ein absolutes Naturprodukt, aber sie ist auch eine durstige Pflanze. Für die Bewässerung konventioneller Baumwollfelder werden ökologische Schäden wie das Sinken des Grundwasserspiegels, Versalzung der Böden und selbst das Austrocknen ganzer Seen in Kauf genommen. Neben der Bewässerung ist auch der Pestizid-Einsatz bei der Baumwoll-Gewinnung ein unerfreuliches Thema. Wie überall auf der Welt wird Größe subventioniert und so wird auch der Anbau von Baumwolle über die Fläche belohnt. Große Flächen aber sind anfällig für Schädlinge, die dann mit Chemie bekämpft werden müssen. Darüber hinaus bleiben Kleinbauern auf der Strecke, da sie wirtschaftlich nicht mehr mithalten können.

Anders bei der Bio-Baumwolle, die über Kooperationen und Fair-Handelsorganisationen einen höheren Endverbraucherpreis erzielt und so auch Kleinbauern ein Überleben ermöglicht. Die Bio-Baumwollpflanze kommt ohne chemische Pestizide aus, die Bewässerung erfolgt zum Großteil über Regenwasser und der Wasserverbrauch ist niedriger, da durch Fruchtfolge und sinnvolle Bodenbearbeitung mehr Wasserspeicherkapazität erreicht wird. Viele Pluspunkte für die Bio-Baumwolle.

Ein weiterer ist die vielseitige Verwendbarkeit: Frotteetücher aus Bio-Baumwolle verfügen bei richtiger Pflege über eine hohe Wasseraufnahme und sind extrem langlebig. Das zeichnet auch Geschirrtücher aus. Bettwäsche aus Baumwolle ist angenehm auf der Haut, temperaturausgleichend und relativ pflegeleicht. Je nachdem wie dicht Baumwolle verwebt wird, sind Gardinen blickdicht oder luftig durchscheinend. Ein besonderes Highlight ist die farbig wachsende Bio-Baumwolle, die in verschiedenen Braun- und Grüntönen angeboten wird. Allerdings werden diese absolut naturbelassenen Stoffe im Moment hauptsächlich für Babykleidung verarbeitet.

Wenn von unbelasteten und natürlichen Stoffen für ein gemütliches Heim die Rede ist, darf Leinen nicht fehlen. Dieses edle Material wurde schon im alten Rom geschätzt und in erstaunlich feinen Qualitäten verarbeitet. Auch heute ist edle Leinenwäsche das non-plus-ultra. Für gehobene Ansprüche ist Leinen schon immer der Stoff aus dem Träume sind. Hochwertige Tisch- und Bettwäsche aus fein gewebtem, in der Sonne gebleichtem Leinen gehörte im 18. und 19. Jahrhundert zu jeder Aussteuer.

Heute ist das „Leintuch“ meist billiger Baumwolle oder gar Mikrofaser gewichen. Schade, denn die Naturfaser hat viele unschätzbare Vorteile. Unter anderem ist sie von Natur aus bakterizid, fast antistatisch und schmutzabweisend. Darüber hinaus ist Flachs eine relativ genügsame Pflanze, die früher zum Einkommen kleiner landwirtschaftlicher Betriebe im Mittelgebirgs- und Alpenraum beigetragen hat. Die größten Flachsanbaugebiete Bayerns lagen in der Oberpfalz und im Allgäu. In ganz Deutschland betrug die Anbaufläche im 19. Jahrhundert gut 215 000 Hektar. Aktuelle Zahlen zum Thema sind leider nicht zu finden. Wenn man jedoch Wikipedia glauben darf, dann sind im 21. Jahrhundert gerade mal 30 Hektar Flachs zur Fasergewinnung registriert.

Noch in den Kinderschuhen steckt die Textilproduktion aus Hanf. Die alte Kulturpflanze gewinnt nach und nach wieder Bedeutung, wenn auch eher im Bereich Bekleidung. Die Heimtextilien sind da noch ein Stiefkind. Das mag zum einen an der aufwendigeren Pflege liegen, zum anderen an den hohen Preisen für derart alternative Produkte. Der Mehrwert, den Hanf z.B. als Bettware bietet, ist allerdings hoch. Hanffasern haben eine temperaturausgleichende Fähigkeit und tragen daher zu einem erholsamen Schlaf bei. Bettwäsche aus Hanf wird Menschen mit empfindlicher Haut empfohlen.

Und es gibt noch eine heimische Faserpflanze, die an Natürlichkeit und geringem CO2-Fußabdruck nicht zu überbieten ist. In unseren Gärten versuchen wir sie tunlichst auszurotten – was aber meist aufgrund ihrer Robustheit nicht gelingt – aber als Faserpflanze wurde sie geschätzt. Und heute bekommt sie sogar einen royalen Hintergrund. Prinz Charles ärgerte sich ebenfalls über die vielen Brennnesseln auf seinem Grund. Da der ökologisch denkende Prinz durchaus die Verwendung des „Unkrauts“ im Sinn hatte, holte er sich Hilfe. Insgesamt 3000 Nesselpflanzen wurden mit der Hilfe von acht Studenten der Oxford Brookes University für das Projekt Mode aus Nessel geerntet. Das dauerte fast den ganzen Sommer. Entstanden ist eine zehnteilige Kollektion aus dem speziellen Brennnessel-Stoff, die bei der London Fashion Week 2019 präsentiert wurde. Diese Episode wird den Textilbereich nicht revolutionieren, aber als Denkanstoß, heimisches „Unkraut“ sinnvoll zu verwerten, ist sie durchaus tauglich.

Doch zurück zum gemütlichen Heim. Ob Trendfarben oder Lieblingsfarben bestimmend für unsere Heimtextilien sind, bleibt dem individuellen Geschmack überlassen. Aber wenn Farbe im Spiel ist, ist oft die Chemie nicht weit. Daher der Tipp, auf Bio-Textilsiegel zu achten. Sie garantieren wenig Chemie, einen hohen Standard in der Fertigung und einen fairen Umgang mit den Erzeugern.

Wohlfühlen in den eigenen vier Wänden ist schon immer ein wichtiges Thema gewesen. War vor Jahren das „Cocooning“, das kuschelige einigeln, angesagt, wird jetzt „hyggelig“ wohnen propagiert. Beide Begriffe stehen für individuelles, gemütliches Wohnen. Die Qualität der Materialien spielt laut der Zeitschrift „Living at Home“ dabei eine große Rolle – „lieber mit wenigen und hochwertigen Accessoires dekorieren statt mit billig produzierter Massenware. Denn das Hygge-Gefühl entsteht auch durch eine besondere Haptik und solide Verarbeitung von Kissen, Decken und Wohnaccessoires. Schließlich umgeben wir uns zu Hause am liebsten mit besonderen Kostbarkeiten und ausgesuchten Lieblingsstücken.“ Wenn dann alles noch in biologischer Qualität ist, dann wird’s besonders „hyggelig“.

Elisabeth Schütze