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Konsum in der Krise


Noch ist nicht abzusehen, welche Folgen die Pandemie für die Weltwirtschaft haben wird. Eines aber steht bereits fest: Am meisten haben – wie so oft – die Schwächsten darunter zu leiden. Dazu gehören auch all jene Kleinbauern, die den Markt mit Kaffee, Tee, Kakao und anderen Südprodukten beliefern. Denn für ihre Ernte- und Exportausfälle gibt es keine Corona-Hilfen. Deshalb gilt es gerade jetzt, beim Einkauf auf Fairen Handel zu achten.  

Allen Menschen unabhängig ihrer Herkunft ein gutes Leben zu ermöglichen – mit der Vision ist die Fair-Handels-Bewegung vor 50 Jahren gestartet. Im Jubiläumsjahr 2020 bekommt die Haltung eine neue Dringlichkeit. Denn die Pandemie zeigt, dass unsere Welt trotz ihrer Größe doch nur ein Dorf ist. Was zunächst wie ein „Problem Chinas“ schien, hat in nur wenigen Wochen und Monaten alle Länder in den Ausnahmezustand gezwungen. Nie hätte man mit Lockdowns gerechnet, die besonders streng umgesetzt werden, wo Gesundheitssysteme eher schlecht aufgestellt sind. Besonders betroffen sind daher Menschen aus Ländern des Südens, die nicht selten als Kleinbauern mit Rohstoffen wie Kaffee, Tee oder Kakao am Anfang der Lebensmittelketten stehen. Wenn jedoch Arbeitskräfte zu Hause bleiben müssen, Ernten nicht eingeholt werden können, Handelswege zum Stillstand kommen und eine Absicherung fehlt, stehen über kurz oder lang Existenzen auf dem Spiel. Auch dieses Problem mag sich auf den ersten Blick in weiter Ferne abspielen. Aber es betrifft – wie Corona – die ganze Welt und stellt bisherige Selbstverständlichkeiten in Frage. Eine Rückkehr zur bisherigen Normalität der Globalisierung schließt Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller schon jetzt aus. Zum Auftakt der Fairen Woche betonte er: „Die Pandemie zeigt, wie wichtig Gerechtigkeit in der Globalisierung ist: mit klaren Spielregeln, Gesundheitsstandards, Arbeitsschutz und sozialen Sicherheitsnetzen. Das Wohl der Menschen ist nicht verhandelbar.“   

Pioniere geben den Weg vor

Beispielhaft schnell haben Fair-Handelspioniere wie GEPA, WeltPartner, El Puente und Globo auf die dramatischen Entwicklungen reagiert. Als insgesamt 800 Weltläden während des Lockdowns in Deutschland schließen mussten, haben sie eine Solidaritätsaktion in ihren Online-Shops gestartet. Unter Angabe der bevorzugten Einkaufsstätte konnten die Kunden dort ihre Fair-Handelsprodukte bestellen, und der Gewinn wurde entsprechend weitergeleitet. Für die Weltläden als Hauptvertriebskanal fair gehandelter Waren ist der Ausnahmezustand hoffentlich endgültig vorüber.

Noch nicht absehen lässt sich allerdings, wie sich die Situation für die Handelspartner entwickelt. Während Erzeuger hierzulande durch neue Hygieneregeln und Abläufe mehr und mehr zurück zur Normalität finden, ist in vielen Teilen des Globalen Südens noch keine Entspannung zu sehen. Bei der GEPA steht man in engem Austausch mit den Menschen vor Ort und ist trotz aller Widernisse zuversichtlich, den Warenfluss weiter aufrechterhalten zu können. Zur Unterstützung werden zinslose Vorauszahlungen gewährt, der Handelspartnerfonds wird für Corona-Initiativen eingesetzt und Spendengelder akquiriert. Essenziell ist aber vor allem, dass die Nachfrage am Weltmarkt nicht abreißt – insbesondere in Deutschland, wo der Faire Handel seinen Umsatz in den letzten fünf Jahren verdreifachen und allein 2019 insgesamt 1,85 Milliarden Euro erwirtschaften konnte. Starke Märkte und positive Entwicklungen wie diese sind unerlässlich, damit unterm Strich alle Menschen gut von ihrem Beitrag zur globalen Wertschöpfungskette leben können.      

(Nicht nur) Aufgabe der Politik

Kleinbauern sind derzeit nicht nur den Belastungen der Corona-Krise ausgesetzt. Auch der Verfall der Weltmarktpreise für Kaffee, Kakao und andere Rohstoffe gefährdet Existenzen ebenso wie der Klimawandel, der in vielen Ländern des Südens bereits für Ernterückgänge und erhebliche Anbauprobleme sorgt. Das Forum Fairer Handel fordert daher, die aktuelle Krise als Chance zu sehen und für einen fairen Neustart im Sinne eines sozial-ökologischen Wandels zu nutzen. „Mit Blick auf die Klimakrise bleiben uns keine weiteren fünfzig Jahre, um den Welthandel gerechter zu gestalten und die Vision eines guten Lebens für alle umzusetzen“, so die Vorstandsvorsitzende des Forum Fairer Handel, Andrea Fütterer. Dazu gehört eine Lebensweise, die Menschenrechte achtet, die Grundbedürfnisse aller befriedigt und respektvoll mit der Natur umgeht. Zusammen mit zahlreichen anderen Akteuren setzt sich der Dachverband daher dafür ein, dass diese Aspekte im neuen Lieferkettengesetz verankert werden, das derzeit im Bundestag verhandelt wird. Unternehmen, die Schäden an Mensch und Umwelt in ihren Lieferketten verursachen oder in Kauf nehmen, könnten demnach schon bald haftbar gemacht werden. Die bei Infratest Dimap in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage zeigt eine breite Zustimmung unter den Teilnehmenden: 92 Prozent sehen die Regierung bei der Rahmengebung in der Pflicht, 83 Prozent wollen Umweltaspekte gesetzlich verankern und 76 Prozent sind dafür, dass bei einer Verletzung von Menschenrechten von den Geschädigten Entschädigungen eingeklagt werden dürfen.

Beim Einkauf Solidarität beweisen

Der Weg zu einem guten Leben für alle, wie ihn die Fair-Handels-Bewegung seit 50 Jahren anstrebt, kann allerdings nicht nur über Gesetze führen. Neben nachhaltigen Lieferketten und entsprechenden politischen Vorgaben braucht es verantwortungsbewusste Konsumenten, die beim Einkauf auf ökologisch erzeugte und fair gehandelte Produkte achten. Dabei geht es nicht nur darum, Bauern in den Ländern des Südens zu unterstützen. Auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern müssen sich Familienbetriebe gegen die Übermacht der Agrarindustrie behaupten. Aus diesem Grund hat der Öko-Verband Naturland schon 2010 die Naturland Fair Richtlinien aufgestellt, mit denen der Fair-Handelsgedanke auf die ganze Welt ausgeweitet wird. So kommt es, dass klassische Fair-Handelsprodukte wie Kaffee, Tee und Kakao ebenso das Naturland Fair Zeichen tragen wie beispielsweise Brote und Backwaren der Hofpfisterei, Feinkost von LaSelva, Oliven und Öl von Mani Bläuel oder Milch, Joghurt, Quark und Sahne von der Molkerei Berchtesgadener Land. Gleichzeitig entstehen immer mehr Synergieprodukte, in denen fair gehandelte Rohstoffe aus Süd und Nord aufeinandertreffen.

Klimaschutz gehört zur Fairness

Eines der ersten waren die Milchschokoladen der GEPA: Von Zucker und Kakao über das Palmfett bis zur Alpenmilch kommen die Tafeln und Riegel auf einen Fair-Handelsanteil von bis zu 100 Prozent. Eine neue Sorte hat dieses Ziel bereits erreicht und birgt noch weiteren Mehrwert: #Choco4Change beteiligt die Kunden von Welt- und Naturkostläden nämlich mit 20 Prozent vom Verkaufspreis an zwei Klimaschutzprojekten in Afrika. Dazu gehört zum einen eine Aufforstungsinitiative der Kooperative CECAQ-11 auf der Insel São Tomé: Durch Pflanzung neuer Laubbäume schützt sie die Böden vor Erosion und nutzt das Laub für den Aufbau von Humusschichten, die das Regenwasser besser speichern können. Zum anderen wird KCU bei ihrem Engagement unterstützt, immer mehr Familien in Tansania mit energieeffizienten Öfen auszustatten. Dadurch soll die Abholzung der Wälder und der Ausstoß von Klimagasen  reduziert werden.

Während erste Wetterextreme hier in Deutschland nur einen kleinen Vorgeschmack auf die Folgen des Klimawandels geben, sind die prognostizierten Auswirkungen auf landwirtschaftliche Produktion, Ernährungssicherheit und wirtschaftliche Entwicklung in vielen Ländern des Südens bereits Realität. Fairer Handel zielt daher nicht mehr nur auf soziale, sondern auch auf ökologische Gerechtigkeit ab, denn nur so kann eine Zukunft für alle entstehen. Bei dieser Aufgabe kommt es – wie im Kampf gegen Corona – auf die Solidarität aller an.

Claudia Mattuschat