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Die Jackfrucht ist die größte Baumfrucht der Erde

Weit gereist und doch ganz nah

Bis zur Apfelernte ist es lange hin, und auch Beeren und andere heimische Früchte lassen noch ein ganzes Weilchen auf sich warten. Doch kann man als überzeugter Öko guten Gewissens zu Alternativen aus Übersee greifen? Ja, ist die Antwort. Sofern die Exoten sowohl in ökologischer als auch in sozialer Hinsicht einwandfrei produziert wurden. Dann nämlich liefern sie nicht nur Vitamine, sondern leisten einen echten Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit.

Nach den Ergebnissen des Ernährungsberichts 2016 geben 76 Prozent der Deutschen Lebensmitteln aus der Region den Vorzug. Damit verbunden ist der Wunsch nach Nähe zum Erzeuger, transparenten Lieferketten und dem guten Gefühl einer besseren Öko-Bilanz. Doch wenn Äpfel, Birnen oder Erdbeeren nicht gerade Saison haben, müssen Lagerhallen betrieben und Gewächshäuser beheizt werden. Kurzum: Selbst ein Bio-Apfel aus Argentinien kann auf einmal einen kleineren ökologischen Fußabdruck aufweisen als sein heimischer Verwandter. Es macht also Sinn, Regionalität als dehnbaren Begriff zu verstehen und immer wieder mit gesundem Menschenverstand zu hinterfragen. Lebe ich in Kiel, können Äpfel vom Bodensee durchaus als regional gelten. Brauche ich Zitronen oder Orangen, komme ich gar nicht umhin, die Region auch auf Italien, Spanien oder Griechenland auszudehnen. Und geht es darum, sich jenseits der deutschen Erntezeiten vitaminreich zu ernähren, kann man durchaus auch Bauern aus Übersee als unterstützenswerte „Nachbarn“ sehen. Denn jeder Verzicht auf Kunstdünger und Pestizide, jede Maßnahme für Bodenfruchtbarkeit und gegen Erosion ist ein wichtiger Beitrag zum Schutz der Gesamtregion Erde, die wir alle bewohnen.

Exotenbox aus Fairem Handel

Die Frage nach der Umweltbilanz darf sich nicht allein auf den Vergleich der Emissionswerte beschränken. Nachhaltigkeit zeigt sich nämlich auch im verantwortungsbewussten Umgang mit den Ressourcen Boden, Wasser und Luft, am Schutz der Artenvielfalt und nicht zuletzt am fairen Umgang mit den Erzeugern. Dieser Meinung ist auch Oliver Trübenecker, der 2013 zusammen mit Daniel Hallweger das Münchner Startup Trübenecker.de gegründet hat. Inspiriert von Vater Klaus Trübenecker, der seit mehr als 20 Jahren einen Bio-Stand auf dem Viktualienmarkt betreibt, beliefern die beiden nun Unternehmen, Kindergärten, Schulen und Privathaushalte mit frischem Bio-Obst und -Gemüse. Ihr neuestes Projekt ist die Exotenbox, die seit Oktober letzten Jahres über www.exotenbox.de bestellt werden kann. Aktuell sind darin zum Beispiel reif geerntete Mangos, Papayas, Ananas, Maracujas, Apfel-Bananen und Avocados, die ökologisch angebaut, fair gehandelt und als Flugware nach Deutschland importiert werden. Dazu haben sich Oliver Trübenecker und Daniel Hallweger einen erfahrenen Partner gesucht: Kipepeo ist im Naturkostfachhandel schon lange eine feste Größe, wenn es um Bio-Tropenfrüchte mit sozialem Mehrwert geht.

Kleinbauern brauchen Kunden

Das Neuffener Fair-Handelsunternehmen wurde 1999 von Siegfried Hermann gegründet, der sieben Jahre als Diakon eine Gemeinde im Nordwesten Tansanias betreut hat. Hautnah erlebte er dort, welch verheerende Folgen fallende Weltmarktpreise auf die Lebensbedingungen der Kleinbauern haben können. Nach seiner Rückkehr ließ er sich daher zum Handelsfachwirt ausbilden und gründete wenig später seine eigene GmbH. Unter dem Namen Kipepeo importiert er seither aus Afrika und Asien nicht nur gängige Exoten wie Bananen, Mango, Maracuja oder Ingwer, sondern auch weniger bekannte wie Longan, Mangostan, Marian Plum oder Rambutan. Außerdem gehören getrocknete Ananas, Bananen, Papaya und Jack-Frucht zu seinem Sortiment. Für die Erzeugerpartner ist der Handel ein Gewinn auf ganzer Linie: Sie bekommen für ihre Ernte Preise, die mindestens 30 Prozent über dem lokalen Marktniveau liegen, und haben ein gutes Einkommen, mit dem sie ihre Familien ernähren und ihre Kinder zur Schule schicken können. Darüber hinaus erhalten sie einen Fairtrade-Zuschlag, der sozialen Projekten in den Dörfern zugutekommt. Fairer Handel wirkt daher besser als jede Geldspende. Denn er gibt Kleinbauern in benachteiligten Regionen die Möglichkeit, sich eine Existenz aufzubauen und wirkt auf sinnvolle Weise Verarmung und Landflucht entgegen.

Augen auf beim Einkauf

Die Avocado als Schönheitsfrucht, Papaya als Nährstoffwunder, Curcuma als Geheimnis ewiger Gesundheit: Viele Tropenfrüchte und -gewürze verzeichnen im Rahmen neuer Gesundheitstrends rasante Nachfragesteigerungen. Umso mehr sollte man kritisch die ökologischen und sozialen Nebenwirkungen ins Visier nehmen, die exzessiver Anbau und massenhafte Ernte oft mit sich bringen. Der Avocado-Boom z. B. hat zu dramatischen Entwicklungen in Mexiko geführt: Bis zu 4.000 Hektar Wald werden dort jedes Jahr oft illegal gerodet, um Platz zu machen für ökologisch bedenkliche Monokulturen. Denn die verschlingen nicht nur Unmengen an Wasser, sondern gefährden durch den massiven Einsatz von Dünger und Pestiziden Mensch, Tier und Natur, verdrängen kleinere Anbieter vom Markt und nehmen ihnen auf diese Weise die Chance auf eine Existenz. Dabei machen es Naturkostanbieter wie Biotropic seit vielen Jahren vor, wie es sowohl in ökologischer als auch in sozialer Hinsicht besser geht. Das Duisburger Unternehmen begann 1997 mit dem Import von Bio-Bananen aus der Dominikanischen Republik und ist seither ein wichtiges Bindeglied zwischen Kleinbauern aus aller Welt und dem europäischen Markt. In diesem Sinne hat Biotropic nicht nur die hiesige Nachfrageentwicklung im Auge, sondern vor allem auch die Bedürfnisse der Anbaupartner in den Ländern des Südens.

Mehr Fleisch als Frucht

Ein Exot macht gerade weniger als Obst, sondern vielmehr als vielseitig verwendbarer Fleischersatz von sich reden. Es handelt sich um die Jackfrucht, die als größte Baumfrucht der Erde bis zu 15 Kilogramm schwer und stattliche 90 cm lang werden kann. In ihrer asiatischen Heimat ist sie seit jeher bekannt und wird dort beispielsweise für Fruchtpüree, Gelee, Marmelade, Pudding, Kuchen oder als Süßigkeit verwendet. Denn vollreif erinnert sie vom Geschmack her an eine fruchtig-süße Mischung aus Mango, Banane und Ananas. Hier bei uns schätzt man sie jedoch eher im unreif geernteten Zustand. Dann hat sie nämlich in etwa die faserige Konsistenz von Pulled Pork, besitzt kaum Eigengeschmack und lässt sich dafür umso besser mit Gewürzen und herzhaften Marinaden zu verschiedenen „Fleischgerichten“ verarbeiten. Für die wachsende Zahl vegan lebender Menschen kommt die vitamin- und mineralstoffreiche Neuentdeckung daher wie gerufen, um Abwechslung in den Speiseplan zu bringen.
Doch wie immer sind Ersatzprodukte kritisch zu prüfen, damit die Ernährung nicht zu Lasten von Natur und Mensch geht. Insofern gilt hier umso mehr, nur zu Produkten aus kleinbäuerlichem Bio-Anbau zu greifen. Die kommen zum Beispiel von Govinda als handliche Würfel und in Kürze auch als Schnetzel oder – ganz neu – von Lotao Green in den Sorten Pur, Curry oder Teryiaki. Frisch gibt es Jackfruit im Bioladen noch selten, aber auf www.jackyf.de kann man die neue Ernte ab März bestellen. Kreative Rezeptideen werden auf der Website des sozialen Food-Startups gleich mitgeliefert.

Claudia Mattuschat