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Essig und Öl

Bei diesem Wetter will keiner lange in der Küche stehen. Die Sonne lacht, Salatzutaten wachsen in Hülle und Fülle, und schon mit etwas Essig und Öl werden sie zur sommerlichen Delikatesse. In den Regalen des Naturkosthandels zeigt sich die beeindruckende Vielfalt der kulinarischen Möglichkeiten: Neben den Klassikern Sonnenblumen-, Raps- und Olivenöl tummeln sich Exoten wie Avocado-, Pflaumenkern- oder Macadamianussöl. Auch bei der Wahl des passenden Essigs können sich Fans der kalten Küche richtig austoben.

Sofern die Öle für Salat oder kalte Antipasti verwendet werden, dürfen geschmackliche Vorlieben entscheiden. Sollen sie allerdings für die Marinade des Grillguts oder zum Braten sein, muss es sich um besonders hitzestabile, raffinierte Pflanzenöle handeln, heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Solche Sorten – zum Beispiel aus Raps, High-Oleic-Sonnenblumen oder Kokosnüssen – erreichen ihren Rauchpunkt nämlich erst ab 160 Grad. Und die werden beim Brutzeln schnell mal erreicht. Anders verhält es sich bei nativem und extra nativem Olivenöl, das zu mehr als 90 Prozent aus ungesättigten Fettsäuren besteht. Durch diese Zusammensetzung ist es so hitzeresistent, dass es problemlos bis 180 Grad erhitzt werden kann, ohne chemische Veränderungen oder inhaltliche Verluste zu riskieren. Kein Wunder also, dass das „grüne Gold“ in Griechenland nicht nur für Salate und Mezze, sondern auch zum Kochen, Braten, Frittieren und sogar zum Kuchenbacken verwendet wird.

Die Beliebtheit zeigt sich am Pro-Kopf-Verbrauch: Rund 15 Liter werden in Griechenland im Schnitt jedes Jahr konsumiert, in Mitteleuropa dagegen gerade mal ein Liter. Dort findet sich Olivenöl schließlich meist nur in der Salatsoße wieder. Ist es auf dem Etikett nicht nur als „nativ“, sondern als „extra nativ“ ausgewiesen wie bei der „Selection“ des griechischen Bio-Pioniers Mani Bläuel, hat es dort auch durchaus seinen exklusiven Platz verdient. Denn das ist die höchste Güteklasse, für die Oliven nach der EU-Verordnung mit mechanischen Verfahren kalt verarbeitet werden müssen und keinerlei sensorische Fehler aufweisen dürfen. Wo die SensorikerInnen eine ganze Wissenschaft betreiben, reichen dem Laien zur Bewertung vor allem zwei Kriterien: Ein richtig gutes Olivenöl duftet angenehm nach frischem Gras und hat einen kräftigen, leicht scharfen, mitunter sogar etwas bitteren Geschmack.

Schätze aus fernen Welten

Geht es um Olivenöl, kommen einem neben Griechenland vor allem europäische Mittelmeerländer wie Italien, Spanien und Portugal als Ursprung in den Sinn. Weniger denkt man dabei an Palästina, wo seit mehr als 6.000 Jahren fruchtbare Olivenbäume der aromatischen Sorte Rumi gedeihen. Rund 80 Prozent der Landwirtschaftsflächen nehmen sie noch heute ein. Aber im Zuge des Nahostkonflikts mussten viele Bauern ihre Haine aufgeben, da sich die Ernte kaum noch lohnte. Dies hat sich erst wieder geändert, als der Kulturanthropologe Dr. Nasser Aburfarha 2005 Canaan Fair Trade gründete und neue Vermarktungschancen eröffnete. Über den Fairen Handel kommt das aromatische, Naturland Fair zertifizierte Öl seither wieder zu angemessenen Preisen in den deutschen Handel und sichert die Existenz zahlreicher Kleinbauernfamilien.

Weniger bekannt als Olivenöl, aber definitiv eine Entdeckung wert ist das kostbare Arganöl, das aus den Fruchtkernen des gleichnamigen Baumes gepresst wird. Ihre wüstenartige Heimat im Südwesten Marokkos hat die UNESCO als Biosphärenreservat unter Naturschutz gestellt. Tatsächlich gedeiht der „Baum des Lebens“ nur hier und lässt sich nirgendwo sonst auf der Welt kultivieren. Das ist ein Glück für all die Berberinnen, die sich zwischen Agadir und Essaouira zu einer Frauenkooperative zusammengeschlossen haben und vom Sammeln, Knacken und Verarbeiten der Kerne leben. Durch schonendes Pressen entsteht daraus ein goldgelbes Öl mit intensiv nussigem, leicht herbem Geschmack und hohem Gehalt an Vitamin E und ungesättigten Fettsäuren.

Vitalöle für die Gesundheit

Was in mediterranen Ländern das Olivenöl, ist in Deutschland das Distel-, Leinsamen- oder Leindotteröl. Diese Sorten werden nicht nur aufgrund ihrer vielseitigen Verwendbarkeit in der kalten Küche geschätzt, sondern auch wegen ihrer         gesundheitsfördernden Eigenschaften. Dies gilt ebenso für das Hanföl, das seit einer Weile als neue „Königin der Speiseöle“ gefeiert wird. Es wird aus den Samen der Hanfpflanze kaltgepresst, die ihr einst so anrüchiges Image inzwischen zum Glück verloren hat. Schließlich gibt es auch THC-arme Sorten, die keine berauschende Wirkung haben und von Landwirten gerade begeistert wiederentdeckt werden. Die robusten Kulturen arrangieren sich nämlich mit den Auswirkungen des Klimawandels und lassen sich – vom Stängel bis zur Saat – bei Lebensmittelverarbeitern, aber auch in der Bekleidungs- oder Bauindustrie gut vermarkten. Ölmühlen zaubern daraus ein zartgrünes, angenehm nussig schmeckendes Öl, das neben Vitamin E und wertvollen Pflanzenstoffen wie Carotinoiden essenzielle Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren im geradezu idealen Verhältnis von 3 zu 1 bietet. Damit wertet es nicht nur das Salatdressing auf, sondern sorgt auch für besonderen Mehrwert in Kräuterquark, Frühstücksmüsli oder Smoothie. Um das Beste aus verschiedenen Ölen zu vereinen, gibt es im Naturkostladen eine Reihe von Vitalöl-Mischungen. So kombiniert die Ölmühle Solling Leinöl und Algenöl wahlweise mit Walnuss- oder Sanddornfruchtfleischöl zur reichhaltigen Omega DHA Quelle. Rapunzel sorgt in seinem Mix aus Lein-, Hanf- und Kürbiskernöl für Omega 3, 6 und 9 in Hülle und Fülle. Und Bio Planète hat mit seiner farbenfrohen Omega Serie richtige Nahrungsergänzungsmittel kreiert.

Essig sorgt für Akzente

Weniger um die Gesundheit als vielmehr um den perfekten Geschmack geht es beim Essig, der Salaten, Antipasti und sogar Süßspeisen säuerliche Würze verleiht. Der günstigste und neutralste ist Branntweinessig, der bereits nach kurzer Reifezeit einen hohen Säuregehalt von rund zehn Prozent aufweist und gerne zum Einwecken von Gemüse wie zum Beispiel sauren Gurken verwendet wird. Hochwertiger und geschmackvoller sind Rotwein-, Weißwein- oder Sherryessig, die neben Dressings auch in Marinaden und beim Abschmecken von Saucen zum Einsatz kommen. Die Edelvariante des Essigs hat den klangvollen Namen „Aceto Balsamico di Modena“ und darf nur dann so heißen, wenn sie aus der italienischen Provinz oder ihrer Nachbarregion Emilia Romagna kommt. Bei den meisten Sorten, die im Handel angeboten werden, handelt es sich um einen Balsamico, der nach den Vorschriften des IGP Konsortiums hergestellt wurde und mindestens 60 Tage im Holzfass gereift ist. Edler und besonders kräftig im Geschmack sind Sorten wie der Aceto Balsamico „Invecchiato“ von LaSelva, der erst nach frühestens drei Jahren abgefüllt wird. Und handelt es sich gar um einen Aceto Balsamico di Modena mit DOP Herkunftssiegel, sorgen Reifezeiten von zwölf oder noch mehr Jahren für außergewöhnliche Geschmackserlebnisse, die jedoch mit stolzen Preisen einhergehen. Dann vielleicht doch lieber eine Crema di Balsamico, die sich – dunkel, hell oder inzwischen auch mit Zitrone, Basilikum oder schwarzer Johannisbeere – für aromatische Akzente ebenso gut eignet wie für stilvolle Dekorationen auf dem Teller. Kulinarische Spannung versprechen auch ungewöhnliche Sorten wie Himbeer, Aronia, Lemon, Birne-Ingwer oder Granatapfel Balsam von Bio-Essigspezialist Byodo.

Claudia Mattuschat