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Plätzchen

Wenn die Tage kälter werden, steigt die Freude auf den Advent und seine süßen Seiten. Plätzchen, Lebkuchen, Stollen und mehr locken in den Läden und erfüllen die Küchen mit ihrem wunderbaren Duft. Wer selber backt, hat die Zutaten genau im Blick und kann Zucker auf kreative Weise reduzieren oder ersetzen. Viele Früchte und Zuckeralternativen schmecken nämlich ebenso süß und sorgen für feinen Geschmack.

Ausgerechnet im Advent den Zucker kritisch ins Visier zu nehmen, klingt irgendwie nach Spaßverderber. Doch wenn man aktuellen Studien glaubt, hat die süße Sünde einen ziemlich bitteren Beigeschmack. Wer seiner Gesundheit eine Weihnachtsfreude machen möchte, tut besser daran, bewusster zu naschen und zu backen. Tatsächlich gibt es sogar zuckerfreie Produkte und Rezepte, die schmecken und evolutionsbedingt erlernte Lust auf Süßes befriedigen. Auch wenn die Steinzeit nämlich schon lange vorbei ist, erinnert sich unser Körper noch gut daran. Damals galt Süße als Indiz, dass etwas essbar war und überlebenswichtige Kalorien lieferte. Giftiges dagegen ist eher bitter, Verdorbenes säuerlich, weiß unser Gehirn. Das könnte heutige Vorlieben aus Sicht von Ernährungsexperten nach wie vor erklären. Gleichzeitig beginnt auch das Leben mit entsprechenden Genüssen: Schon das Fruchtwasser im Mutterleib schmeckt süßlich, ebenso die Muttermilch, und beim Zufüttern lassen sich Babys eher von Kürbis als von herberen Gemüsesorten begeistern. Kein Wunder also, dass man Zucker seit etwa 600 nach Christus als eines der ersten Welthandelsgüter zu hohen Preisen verkaufte.

Versteckter Zucker

Je industrieller jedoch seine Herstellung wurde, desto mehr wurde das „weiße Gold“ zum Massenprodukt, das als billiger Füllstoff in Fertiggerichten, Wurst, Ketchup, Müslis, Marmeladen, Joghurts, Säften, Instant-Heißgetränken und mehr Einzug gehalten hat. Und genau in diesen Zuckerfallen steckt das Problem: Denn man nimmt sie nur bei ganz genauem Lesen des Kleingedruckten wahr und kommt – selbst wenn man seinen Kaffee ungesüßt trinkt und auf Gebäck oder andere Süßigkeiten verzichtet – auf weit mehr als die empfohlene Tageshöchstmenge. Die liegt laut Weltgesundheitsorganisation WHO bei 25 Gramm, ist in der Realität aber eher viermal so groß. Wurde vor ein paar Jahren noch Fett als ungesunder Dickmacher verteufelt, ist es heute Industriezucker. Der fördert jedoch nicht nur unschöne Fettpolster und Karies, sondern auch diverse Zivilisationskrankheiten. Im „Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2018“ ist aktuell von 6,7 Millionen Erkrankten die Rede, bei denen zu 95 Prozent Diabetes Typ II diagnostiziert wurde. Fünfmal mehr Kinder und Jugendliche leiden heute daran als noch vor wenigen Jahren – und bis 2020 rechnet man mit einer Verdoppelung des aktuellen Standes. Natürlich gehört zur Entwicklung von Diabetes auch immer eine gewisse genetische Veranlagung, die durch mangelnde Bewegung begünstigt wird. Auf eine gesunde Ernährung zu achten und den Zuckerkonsum zu reduzieren, ist allerdings auch im Hinblick auf andere neue Erkenntnisse sinnvoll: Britische Forscher haben herausgefunden, dass bei einem Verzehr von mehr als 67 Gramm pro Tag die Anfälligkeit für psychische Störungen wie Depressionen erheblich steigt. Andere Studien zeigen, dass ein Übermaß an Zucker die Darmflora als zentralen Teil des Immunsystems zerstört und die Neigung zu Entzündungen und sogar das Wachstum von Krebszellen begünstigen kann.

Bewusster süßen

Dennoch hat Zucker auch seine guten Seiten. Schließlich lebt unser Gehirn Tag und Nacht von seiner Energiezufuhr und leidet unter Konzentrationsmangel, wenn der Blutzuckerspiegel im Keller ist. Außerdem ist Zucker auch dafür zuständig, dass Tryptophan – eine von acht essentiellen Aminosäuren – vom Blut ins Gehirn gelangt und dort als Serotonin für gute Stimmung sorgt. Umso wichtiger ist es, versteckte Zuckerfallen in industriell verarbeiteten Lebensmitteln zu umgehen und Süßes stattdessen viel bewusster zu genießen. Denn die Maximalgrenze von 25 Gramm – oder umgerechnet acht Stück Würfelzucker – ist schnell erreicht. Billigen Industriezucker sollte man möglichst ganz aus dem Küchenschrank verbannen und stattdessen Alternativen wählen, die zwar auch aufs Zuckerkonto gehen, aber immerhin noch ein paar Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe und Spurenelemente enthalten. Dazu gehören Vollrohr- und Rohrohrzucker, die aus dem Saft des Zuckerrohres gewonnen werden, aber auch Rübenzucker von deutschen Bio-Bauern. Im Naturkostladen finden sich außerdem immer mehr Alternativen zum Süßen von Getränken, Desserts oder Gebäck wie Dattelsüße und Dattelsirup, Kokosblütenzucker und Kokosblütensirup. Daneben gibt es Ahorn- und Agavensirup, Melasse, Birkenzucker und natürlich Honig in den verschiedensten Sorten. DolceDi von Rigoni di Asiago ist ein dickflüssiges Süßungsmittel, das aus dem konzentrierten Saft von Äpfeln hergestellt wird. Die flüssige Apfelsüße besteht überwiegend aus Einfachzuckern wie Fructose und Glucose und weist deshalb einen niedrigeren glykämischen Index auf.

Genussvoll feiern

Gute Vorsätze werden normalerweise eher für den Start ins neue Jahr gefasst. Dennoch lässt sich ein Leben mit wenig oder sogar ohne Zucker auch schon im genussreichen Dezember von jetzt auf gleich verwirklichen. Zahlreiche Foodblogger machen Lust darauf und versüßen die Weihnachtszeit mit ihren kreativen Rezeptvorschlägen. Dazu gehört meine-zuckerfreiheit.blog der Münchnerin Angelika Fritz. Rechtzeitig zum großen Fest hat sie ein Rezeptheft mit 24 leckeren Ideen vom Weihnachtlichen Crumble über Schokoherzen, Maronencreme und Bratäpfel bis zur Glühweinmischung veröffentlicht. Auf ihrer Internetseite ernaehrung-ohne-zucker.de stellt Simone Weuthen einige Rezepte vor, die nach vertrauten Klassikern klingen und dennoch viel gesünder sind. Vanillekipferl süßt sie beispielsweise mit Birnendicksaft, Spitzbuben mit geriebenem Apfel und Birne, knusprige Haferflockenkekse mit reifen Bananen. Auch Trockenfrüchte wie Pflaumen, Feigen, Datteln oder Aprikosen eignen sich sehr gut, um Plätzchen, Kuchen oder Desserts herzustellen. Zum Füllen passt selbstgemachte Marmelade oder das zuckerfreie Zwetschgenmus au Chocolat von Tarpa, das es im Bioladen gibt. Streng genommen gehört natürlich auch Fruchtzucker, der in all diesen Zutaten in kleinerer oder größerer Menge enthalten ist, zu den viel diskutierten und immer wieder kritisierten Zuckerarten. Dennoch überwiegen die Vorteile aufgrund der vielen Vitalstoffe, die sie dem Körper – im Gegensatz zum inhaltsleeren Industriezucker – liefern. Und das gilt auch für so kohlehydratreiche Obstsorten wie die Banane, die von so manchem Figurbewussten zu Unrecht als Dickmacher gefürchtet werden.

Neues probieren

Im Sinne des Clean Eating wird heute viel experimentiert, wie man die natürliche Süßlust auf möglichst gesunde Weise befriedigen kann. Aus Nüssen, Saaten, Getreide, getrockneten und frischen Früchten, Rohkakao und Gewürzen lassen sich zum Beispiel Energy Balls herstellen, die ihrem Namen alle Ehre machen. Als kleiner Snack sind sie ideal, wenn sich in der Schule oder im Büro der Appetit auf Kuchen, Kekse oder Schokolade meldet. Rezepte dafür hat auch die Gesundheitswissenschaftlerin Hannah Frey entwickelt, die auf projekt-gesund-leben.de jede Menge Anregungen für ein zuckerreduziertes Leben bietet.
Ihr Weg aus der süßen Sucht führt über regelmäßige Mahlzeiten, reichlich grünes Blattgemüse, Gewürze, Chai, genügend Schlaf und vor allem viel Bewegung. Denn beim Sport setzt der Körper Glückshormone frei, wodurch das Verlangen nach einem süßen Glücklichmacher gar nicht erst aufkommt. In den Weihnachtstagen freilich haben die Laufschuhe meist eine Pause, während sich auf dem Tisch ein Schmankerl an das andere reiht. Ein Dessert gehört zur Festtagsstimmung irgendwie dazu.
Doch auch da kann man der Zuckerverlockung ein Schnippchen schlagen. Auf der Website von paleo360.de zum Beispiel gibt es ein Rezept für ein Süßkartoffel-Zimt-Soufflé, das den Gaumen glücklich macht, ohne auf den Hüften zu landen. Tatsächlich eignet sich die viel gepriesene Knolle perfekt für den zuckerfreien Nachtisch – zum Beispiel auch als Süßkartoffel-Mousse, Süßkartoffel-Kokos-Pudding, Cupcake oder kühle Nicecream.

Claudia Mattuschat