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Beim Thema ökologische Finanzwende stehen vor allem die Kapitalgeber im Vordergrund. Denn sie haben die Mittel in der Hand, um über das Wohl und Wehe von Unternehmen oder Banken zu bestimmen. Klimaaktivisten schwärmen bereits von vielen Formen des Divestments, also dem Abstoßen von unethischen Aktien, Anleihen oder Anlagenfonds. Bei großen Investoren indessen steht das kurzfristige Renditeinteresse nach wie vor im Vordergrund, doch es gibt auch Grund zur Zuversicht.

 

GeldanlagenSpatzDie Messe Grünes Geld in Freiburg war heuer im November trotz Regenwetter gut besucht. Egal ob Senioren, Unternehmer oder junge Familien: sie alle eint das Interesse ihr Geld nach sozialen und moralisch korrekten Kriterien anzulegen – also weg von beispielsweise Kohle, Gas, Atomkraft oder Waffen.
Doch trotz des Enthusiasmus darüber, dass nachhaltige Geldanlagen mehr denn je im Trend liegen, am Markt lässt sich noch keine breite Wirkung erkennen, wie eine aktuelle Studie der Universität Zürich zeigt. Laut den Schweizern sei der Effekt folglich kaum zu messen und hat nur einen sehr geringen, wenn nicht gar vernachlässigbaren Effekt auf Unternehmensstrategien. In die gleiche Kerbe schlägt auch eine Untersuchung der renommierten London School of Economics. Deren Autoren stellen fest, dass sich Investitionen in unethische Aktien, Branchen oder Länder besser verzinsen. Das liegt eben vor allem daran, dass Finanzakteure, egal ob groß oder klein, meist Anhand von drei Kriterien handeln: Rendite, Liquidität und Sicherheit.
Paradoxerweise und angestachelt durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank fließt momentan viel Geld in Bereiche, die anfällig für Finanzblasen sind. Speziell Optionsscheine, Zertifikate und Futures werden groß gehandelt – obwohl sie kaum Bezug zur Realwirtschaft haben. Auch die Renditen von vielen Aktienunternehmen basieren darauf, dass z.B. Bodenschätze ausgebeutet und Emissionen nicht ausreichend eingepreist werden. Eine grüne Finanzwende bedarf aber, dass sichergestellt wird, dass Risiken wirklich von jenen getragen werden, die Gewinne mitnehmen. Das Energieunternehmen Uniper bringt beispielsweise in der Nähe von Hamburg in Bälde ein neues Kohlekraftwerk mit 10 Gigawatt ans Netz. Nach Angaben eines Unternehmenssprechers wird daraufhin ein langjähriger Großinvestor auf Grund seiner überarbeiteten Nachhaltigkeitsstrategie sämtliche Anteile verkaufen, gleichwohl stehen aber bereits andere Geldgeber bereit, diese zu übernehmen.

Klimaziele fördern Divestments

Dennoch, ein Umdenken hat begonnen und viele Unternehmen und Organisationen fangen an ihre Investments zu hinterfragen und ihre Portfolios systematisch zu analysieren. Allen voran und aus gutem Grund stehen besonders Versicherungsunternehmen bei Divestments mit in vorderster Reihe. Sie wissen längst, dass die Welt nicht mehr versicherbar ist, wenn sie sich um drei bis fünf Grad aufheizt. Mit gutem Beispiel gehen hier z.B. die börsennotierte deutsche Allianz, aber auch die französische AXA voran. Sie wollen künftig ein 1,5-Grad-kompatibles Portfolio haben und vorrangig in Unternehmen investieren, die Teil der Transformation in eine kohlenstofffreie Wirtschaft sind und ihr Geschäftsmodell sowie ihre Produkte entsprechend anpassen.
Gerade bei großen Organisationen stellt sich aber die Frage was passiert, wenn Nachhaltigkeitsziele mit der Renditeerwartung kollidieren. Beispielsweise hat sich auch die Europäische Investitionsbank (EIB) den Wandel auf die Fahne geschrieben: Im vergangenen Jahr hat sie Darlehen im Wert von rund 60 Milliarden vergeben. Das Ziel der Bank ist unter anderem die Energiesicherheit zu stärken, indem sie vor allem in Energieeffizienz, Erneuerbare Energiequellen, innovative Klimaschutztechnologien sowie nachhaltige Infrastruktur finanzieren will. Ist die EIB also auf dem besten Weg zu einer Klimabank? Ja und nein. Einerseits will sich das Institut neue Richtlinien geben, die ihr die Finanzierung von fossilen Energieträgern untersagt. Andererseits muss sie auf Geheiß der EU-Kommission eine Erdgas-Pipeline mit 700 Million Euro von Aserbaidschan nach Europa mitfinanzieren.

Prüfen, prüfen, prüfen!

Wer also wissen will, wie und wo sein Geld arbeitet, sollte einfach die Investmentstrategie seiner Bank, Versicherung oder Krankenkasse erfragen. Die Stadt Berlin hat dies z.B. sehr genau getan und im Rahmen ihrer energiewirtschaftlichen Ziele Finanzinvestitionen in Unternehmen, deren Geschäftsmodell der Klimaneutralität schaden, beendet. Gleichzeitig wurde für die Verwaltung der Beamtenpensionen des Bundeslandes in Höhe von 1,2 Milliarden Euro mit dem Benexx ein eigener Fonds entwickelt, der auf die strikten sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeitsziele des Stadtstaats ausgerichtet ist.
Um das Risiko zu streuen, hat Berlin mittlerweile in mehr als 50 Unternehmen investiert und die Rechnung scheint aufzugehen: Der Benexx steht im Vergleich zu anderen Aktien-Indizes gut da und liegt beispielsweise einen halben Punkt über dem EuroStoxx50. Kein Wunder also, dass das Beispiel Schule macht. Das Land Schleswig-Holstein hat den Benexx übernommen, Länder wie Baden-Württemberg oder Hessen arbeiten bereits an einem eigenen Index.
Was im Großen funktioniert, klappt auch im Kleinen: Die Veranstalter der Messe Grünes Geld haben z.B. wohlwollend verzeichnet, dass die Anlagensummen der Besucher dieses Jahr weit höher lagen als in den Vorjahren. Dabei sind wohl vielfach sechsstellige sowie mehrfach siebenstellige und sogar achtstellige Summen in auf ökologische Nachhaltigkeitskriterien verpflichtete Unternehmen geflossen – so kann es weitergehen!
Stephan Wild