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Unsere Wünsche an Naturkosmetik

Was wäre das moderne Leben ohne Apps? Auch Marktforschung funktioniert heute mobil und liefert auf virtuelle Weise repräsentative Daten. Erst kürzlich wurden die Auswertungen einer biopionio Verbraucherbefragung zum Thema Naturkosmetik veröffentlicht. Zentrales Fazit: Das wachsende Zielpublikum will deutlich mehr als „nur“ äußere Schönheit. Neben natürlichen Inhaltsstoffen sollen Tiegel und Tuben auch höhere Werte transportieren.

Der wichtigste Grund, sich für Naturkosmetik zu entscheiden, liegt klar auf der Hand: Man möchte Haut und Haare mit natürlichen und unbedenklichen Inhaltsstoffen pflegen. Da genügt meist schon eine kurze Recherche bei www.codecheck.de oder auf der Top Fox App des BUND um zu wissen, dass man von vielen herkömmlichen Produkten lieber die Finger lassen sollte. Rechercheplattformen wie diese bringen ans Licht, dass hormonell wirksame Parabene – ob als Methyl-, Ethyl-, Propyl-, Butyl-, Isopropyl- oder Isobutylparaben – in rund einem Drittel aller konventionellen Kosmetika vorkommen. Sie entlarven, dass vieles, was gut duftet, Allergien hervorrufen und ganz erhebliche gesundheitsschädliche Nebenwirkungen haben kann. Und sie zeigen, wie schwierig es heute ist, jenseits des Naturkosmetikmarktes ein gutes Deo ohne Aluminium zu finden, dem nicht nur nervenschädigende und hautirritierende, sondern potenziell auch krebs- und alzheimerauslösende Eigenschaften nachgesagt werden.


Siegel zeigen den Mehrwert

Mal abgesehen davon, dass die Hersteller von Naturkosmetik auf all diese schädlichen Inhaltsstoffe verzichten: Sie achten häufig auch ganz bewusst auf Fairen Handel. Während Naturkosmetik-Pioniere wie Weleda, Dr. Hauschka, Lavera oder Primavera darüber keine großen Worte verlieren, wird der Vorteil bei anderen Anbietern dafür explizit ausgelobt. Denn für 18 Prozent der Befragten, so zeigt die biopinio Studie, ist Fair ein echter Mehrwert und ein immer wichtigerer Grund zum Kauf. Schon im Jahr 2006 haben die Schweizer Bio-Stiftung und das Institut für Marktökologie IMO für Non-Food-Artikel wie Kosmetik das Fair For Life Siegel eingeführt. Seit April 2014 hat sich auch TransFair für diesen Bereich geöffnet. 49 Pflegeprodukte tragen inzwischen das Fairtrade Siegel, allen voran jene, die der Kölner Hersteller Fair Squared anbietet. Um zertifiziert werden zu können, müssen Cremes oder Lotions, die auf der Haut verbleiben, fünf Prozent fair gehandelte Inhaltsstoffe aufweisen. Bei Duschgels, die wieder abgewaschen werden, schreibt Transfair sogar nur zwei Prozent Mindestanteil vor. Das hört sich zunächst nach wenig an. Aber man muss bedenken, dass Kosmetika sehr viel Wasser enthalten. Zertifizierbare Zutaten wie Kakaobutter, Honig, Shea Butter oder Olivenöl haben also von Haus aus nur geringen Anteil am Gesamtprodukt.


Kleiner Anteil, große Wirkung

Werden diese Rohstoffe allerdings über den Fairen Handel bezogen, entsteht für Kleinbauern ein ganz neuer Markt: Was bereits für den Lebensmittelbereich zur Verfügung steht, könnte in Kosmetika eine gewinnbringende Zweitverwendung erfahren. Potenzial dafür haben nach Angaben von Fairtrade Deutschland mehr als 200 natürliche Inhaltsstoffe und etwa die Hälfte aller Kosmetikfirmen. Die Fairhandels-Kooperative Canaan Fairtrade aus Palästina profitiert schon eine Weile vom wachsenden Trend zu fairer Pflege. Allen voran beliefert sie den Berliner Naturkosmetikhersteller und Fair-Pionier i+m mit Olivenöl, das zum Beispiel im Phyto Balance Reinigungsgel, in der Hydro Perform Feuchtigkeitscreme oder in Duschgel und Körperlotion der Berlin Serie zum Einsatz kommt. Wie schon im Lebensmittelbereich, erhalten die Kleinbauern neben fairen Preisen für ihre Anbauprodukte zusätzlich eine Fair Prämie, die bei Canaan Fairtrade unter anderem für das Projekt „Trees for life“ verwendet wird: Mehr als 100.000 Olivenbäume konnten bereits an Menschen gespendet werden, deren Haine im Konflikt zwischen Israel und Palästina zerstört wurden. Außerdem fließt das Geld in Projekte für Bildung und Frauenrechte, von denen die ganze Region profitiert.


Vegan – auch in der Pflege

Inzwischen ernähren sich 7,8 Millionen Menschen in Deutschland vegetarisch. Das geht aus aktuellen Statistiken des Vegetarierbundes VEBU hervor. Dazu kommen rund 900.000, die komplett auf tierische Produkte verzichten – und es werden täglich mehr. Da ist es eine konsequente Entwicklung, dass auch vegane Kosmetik immer mehr an Stellenwert gewinnt. 14 Prozent der Befragten, die an der biopionio Studie teilgenommen haben, ist die Freiheit von tierischen Inhaltsstoffen auch beim Pflegen und Schminken wichtig. Nun dürfen die Hersteller von Naturkosmetik zwar keine Zutaten von toten Wirbeltieren wie zum Beispiel Nerzöl verwenden. Um vegan zu produzieren müssen sie aber auch auf Milch, Honig, Bienen- und Wollwachs verzichten – und natürlich auf Tierversuche. Denn die sind zwar seit 11. März 2013 EU-weit für alle kosmetischen Inhaltsstoffe verboten. Duft- und Farbstoffe dagegen fallen unter die Chemikalienrichtlinie, die dafür wiederum Tierversuche vorschreibt. Die Tierrechteorganisation PETA bietet unter www.kosmetik-ohne-tierversuche.de eine Übersicht mit Herstellern, die ihre Zutaten so wählen, dass sie darauf verzichten können. Was allerdings noch fehlt ist eine Liste all derer, die mit veganer und gänzlich tierversuchsfreier Naturkosmetik alle Ansprüche zugleich erfüllen. Indem sie auf ihren Produkten sowohl das NATRUE Siegel, als auch die Vegan Blume und den PETA Hasen zeigen bekennen die Macher von Fair Squared gleich auf den ersten Blick Farbe.


Naturkosmetik im Blickpunkt

Nicht alles, was vegan ist, macht unter ökologischen und gesundheitlichen Gesichtspunkten Sinn. Wie schon für Lebensmittel, gilt diese Erkenntnis auch für Kosmetik. Oft werden tierische Inhaltsstoffe von konventionellen Herstellern nämlich einfach gegen synthetische ersetzt – und da ist Mineralöl nur eine von vielen kritischen Möglichkeiten. Nach den Richtlinien von Natrue, BDIH oder Ecocert wäre das gar nicht erst erlaubt. Insofern verwundert es nicht, dass unter insgesamt 29 veganen Produkten, die von Ökotest im Januar 2015 untersucht wurden, nur zertifizierte Naturkosmetik mit tadellosen Bestnoten abgeschnitten hat. Zu den kritischen Prüfern gehört seit ein paar Jahren auch Erbse alias Mandy Huth. Die Kölnerin schreibt auf ihrem Blog www.kosmetik-vegan.de über vegane Kosmetik, Naturkosmetik, Nachhaltigkeit und Inhaltsstoffe und erreicht damit jeden Monat mehr als 50.000 Besucher. Intensive Recherche und hartnäckige Nachfragen bei Herstellern haben sie inzwischen zu einer Art Koryphäe für eine wirklich diffizile Frage gemacht: Welche Marken sind tatsächlich zu 100% vegan und nachhaltig zugleich? Neben i+m und Santaverde sind da noch nicht allzu viele Namen zu nennen.
Aber: Der Vegan-Trend sorgt bei vielen Herstellern dafür, dass intensiv nach Alternativen für tierische Inhaltsstoffe geforscht wird. Kakaobutter statt tierisches Fett, Carnauba- statt Bienenwachs oder – bei Lippenstiften – Rote-Bete-Extrakt statt der färbende Bestandteile der Cochenille-Laus: Mit solchen Zutaten erfüllen immer mehr pflegende und dekorative Kosmetikprodukte den Wunsch nach natürlicher Pflege ohne Nebenwirkungen für Mensch, Tier und Natur.


Claudia Mattuschat